Jump Cut Kritik

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Lee Yun-ki: This Charming Girl (Korea 2004)

Kritik von Ekkehard Knörer 

Die Bilder verschweigen nicht, dass da mehr ist als die Gegenwart des charmanten, stillen Mädchens, die sie zeigen. Dass sie aber dieses Mehr nur flüsternd zeigen, dass sie kaum sprechen und es doch nicht verschweigen, das nimmt ein für „This Charming Girl“, so lange dieses Flüstern währt. Die Kamera, in bewegter Nähe zum Gesicht, zum Körper, zum Hinterkopf, zum Gang des Mädchens durch die Straßen der Stadt, ist unaufdringlich, aber interessiert. Das ist mehr als eine Geste der Beobachtung, es ist in seiner Konsequenz ein Verhältnis, das sie eingeht – und das sie dann verrät in dem Moment, in dem sich alles klärt. Von einer Minute auf die andere verliert der Film seine Ambivalenz, ganz und gar. Was vorher Neugier war, Zärtlichkeit, was in seiner vorsichtigen Darstellung eines Alltags, im Postbüro, mit dem Ex-Mann, mit dem Schriftsteller, der regelmäßig zur Post kommt und das Rendezvous nicht einhält, zum leisen Porträt sich fügte, all das ist mit einem Schlag, mit einem Bild vereindeutigt.

Es ist nicht so, dass dieses Ereignis, an das die Protagonistin sich erinnert, sich erinnern muss, nicht schockierend wäre, im Gegenteil. Der Riss im Film, der Schlag, sie wären gerechtfertigt. Als Riss aber, als Schlag tritt die Erinnerung hier nicht ein. Der Film macht zunächst weiter wie zuvor. Die Ernüchterung liegt im Auge des Betrachters, der nun, in diesem Moment erst, begreift, dass der Film von Anfang an nur auf diese Erinnerung hinaus wollte, dass alles, was geschah, sich nun rückblickend ganz einfach verstehen lässt. Die in Luft aufgelöste Ambivalenz führt zur manifesten Enttäuschung. Die Kunst der Schwebe, die einen lange fasziniert hat, erweist sich als Kunstfertigkeit, die auf schlichtem psychologischem Grund gebaut war. Man hätte sich so sehr gewünscht, es gäbe hier kein schwer wiegendes Geheimnis. Von dessen Offenbarung aber erholen die Figur, der Film, der Zuschauer sich nicht mehr.

Zumal das Buch dann mit einer Wendung in Richtung Thriller fortfährt. Nicht, dass der Regisseur nicht auch hier ganz famos Töne zu setzen, Atmosphäre zu erzeugen und den Klang der Natur vibrieren zu lassen verstünde. Nun aber handelt es sich nur noch um die Umsetzung eines Traumas in Bild und Ton und gerade im Gekonnten dieser Inszenierung auch um eine Verharmlosung des Schreckens. Kurz stockt einem der Atem, als zuletzt die perlende Piano-Musik wieder einsetzt. Der falschen, weil allzu leichten Versöhnung weicht „This Charming Girl“ in letzter Sekunde noch aus, aber nur um Haaresbreite. Ein durch Ambivalenz zunächst wunderbarer Film nähert sich, weil er nach thematischem Gewicht sucht, der leichtfertigen Konfektion. Eine vertrackte Sache, aber auch sehr lehrreich.

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