der pferdeflüsterer

(***1/2)

(R: Robert Redford B: Eric Roth und Richard La Gravenese)


Es führt kein Weg daran vorbei, daß das zugrundeliegende Buch formelhafter
Schrott ist. Nicht daß ich's gelesen hätte, aber es muß sehr schlecht sein, wenn
man einem Film von Robert Redford die trübe Quelle noch anmerkt, aus der er
entsprungen ist. Die Geschichte ist ursprünglich wohl so gegangen: Entfremdete
Großstädterin mitsamt Sleater Kinney hörender Tochter begibt sich in den nicht
so wilden, aber um so ursprünglicheren Westen der USA (Montana), wo ein wun-
dersam pferdeseelenbesprechender Cowboy beider verletzte Gemüter und das
Pferd dazu wieder heilt - oder umgekehrt: wahrscheinlich trifft die umgekehrte Rei-
henfolge die Intention sogar noch besser. Der Film erzählt diese Geschichte denn
auch und als solche ist und bleibt sie unreflektierter Koyaanisqatsi-Kitsch.

Aber. Robert Redford ist ein großer Regisseur, dabei bleibe ich. Dysfunktionale
Familien, das Thema kehrt wieder, sein Erstling 'An Ordinary Family' bleibt freilich
unübertroffen. Quiz Show war die Saga von der verlorenen Unschuld der USA, am
etwas merkwürdig gewählten Gegenstand Fernsehen. Feier der Schönheit der Natur
war bereits 'Aus der Mitte entspringt ein Fluß'. Diesmal also verlorene Unschuld in
New York plus Heilung durch Rückkehr zur Natur. Das Pferd heißt Pilgrim. Die kör-
perlich und psychisch versehrte Tochter heißt Grace. Das Wunder ist, daß Redford
daraus eine recht komplexe Psychostudie macht, der man ihre spirituelle Seite nach
einiger Zeit des Kopfschüttelns je länger je mehr abnimmt. Kristin Scott Thomas' Figur
der Annie liegt in ihrem glaubwürdiger werdenden Zwiespalt nach einer Weile immer in-
teressanter neben dem Klischee, das sie ihrer Anlage nach ist, und zwar gelingt das dank
der Zeit, die ihr der Film läßt, dank der Subtilität der Annäherung zwischen Tom Booker
(Robert Redford, der sich erfreulicherweise nicht in den Vordergrund spielt) und ihr, dank
 auch der schauspielerischen Leistung von Kristin Scott Thomas.

Seine großen, wenigstens berührenden Momente hat der Film denn auch vor allem dann,
wenn nicht geredet wird. Der schwelgerischen Landschaftsaufnahmen sind auch ein biß-
chen zu viele und zu postkartenähnliche, als daß man sie so gänzlich goutieren möchte.
Stark aber ist die Inszenierung in der Bebilderung psychischer Konfrontationen. Zwischen
Booker und dem Pferd Pilgrim, zwischen Booker und Annie - vor allem die Szene beim
Tanz zur Country-Musik. Redford bleibt da immer der elegante und klassische Regisseur,
als der er tendenziell unterschätzt wird. Er versteht es, falsches Pathos zu vermeiden und
Komplexitäten des Charakters nicht wegzubügeln. So hat er denn diesen Film, der trotz-
dem sein schwächster ist, noch gerettet. Genaugenommen hat er nur einen Fehler gemacht:
Gefallen an dieser Romanvorlage zu finden.

                                                             

                                                                                                                                                           

Besucher Nr.

seit dem 25.10.1998