Rezensionen: Georg Klein: Libidissi (1999)

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Georg Klein: Libidissi (1999)

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Die Welt von Georg Kleins Roman „Libidissi" ist ein fremd-vertrautes Paralleluniversum unserer Wirklichkeit. Der Ich-Erzähler Spaik, der als Agent in die Hauptstadt eines ungenannten Landes geschickt wurde, befindet sich in einem merkwürdigen Auflösungsprozess: nach den Jahren des Einsatzes verfettet, mit einem den Gehorsam versagenden Augenlid, tablettensüchtig, kurz: reif für die Abberufung. Die Nachfolger treffen ein, ein unzertrennliches Paar, ein kaum individualisierter Wir-Erzähler, der eine spricht den anderen, der im Roman nie zu Wort kommt, gelegentlich mit einem Du an, das eine Adresse ist, aber nie zum Charakter wird. Spaik hingegen, der malade Agent, spricht die längste Zeit des Romans nicht anders denn als Ich=Spaik von sich, eine Identität postulierend, die sich gegen Ende dann auch auflösen wird.

Die Welt von Libidissi ist eine unheile Welt; das Heil, das Spaik am Ende dem amerikanischen Nazi-Doktor wünscht (ohne dass es ausgesprochen würde), bleibt aus. Der Roman hat keine Moral, keine Botschaft, eine Reihe von Toten allerdings hat er schon. Libidissi steht in einem Verhältnis zum Genre des Agentenromans, fragt sich in welchem. In der Verunklärung der Wirklichkeitsbedingungen der fiktiven Welt, im erfindend-ethnologischen Beschreiben der Fremde flirtet er auch mit Science-Fiction-Literatur. Sprachlich dagegen will er mit seinem altfränkisch-manirierten Ton hinaus übers bloße Genre-Erzählen. Bleibt die Frage - und eine Antwort fällt schwer - wohin eigentlich. Sehr behutsam, wie mit spitzen Fingern, hat Georg Klein die Libidissi-Welt von der unseren gelöst, geschickt hier und da, in Allusionen und direkten Verweisen etwa aufs Internet, die Beziehung unmissverständlich eng geknüpft. Man kann nicht umhin, bei der Methode an Kafka zu denken, ans Schloss vor allem (und das Zwillings-Agentenpaar will einem ohnehin den Anspielungs-Weg nach ebendort weisen), auch da klingeln bereits Telefone.

Was Georg Kleins Roman fehlt, ist, im Vergleich mit Kafka, eine ganze Dimension. Libidissi ist als Nachbarrealität ein Webstück gehobener Qualität, darin eingeflochtene reizvolle Einfälle in der Erfindung fiktiver Landessitten, eine Verliebtheit ins ingeniös ausgemalte Detail schimmern verführerisch. Anders als bei Kafka öffnet sich jedoch nirgendwo eine Falltür ins angetäuscht Parabelhafte, gibt es nicht die Andeutung eines tieferen Sinns (dessen gleichzeitiges Ausbleiben und dessen Persistenz das Einmalige an Kafka ist): es gibt nur die literale Libidissi-Immanenz. Was der Existenz dieses interessanten Ortes fehlt, ist die Notwendigkeit, ja bereits die Dringlichkeit, die zu mehr führen würde als der Freude am Gutgemachten und Hübschgedachten. Auch als Spannungsroman funktioniert der Text leidlich - ohne dass sich aber ein eigener Lebenszweck des Ganzen in den Finessen des Plots ausmachen ließe. Es bleibt, nach der Lektüre, die man nicht bereut, eine gewisse Ratlosigkeit.

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