Seminar: Drama und Postdrama
Dozent: Dr. des. Ekkehard Knörer
Email: knoerer@gmx.de

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Thema: Masken oder Gesichter - Begriff der Maske im Theater Datum: 15.12.04

Referenten: Franziska Düvel und Katrin Hoßfeld

Biographie William Archer:

- 1856 in Schottland geboren, am 27.12.1924 gestorben
- schottischer Autor, Kritiker, Übersetzer
- beeinflusste Richtung des englischen und amerikanischen Dramas durch aktives Interesse an der Arbeit des norwegischen Playwright Henrik Ibsen
- erste Übersetzung "Quicksands" mit Uraufführung in London
- 1906 Veröffentlichung der gesammelten Arbeiten von Ibsen
- Schreiben Archers: "Schablonen oder Gesichter" (1888), "Das Alte Drama und New" (1923), einige Spiele und erfolgreiches Melodrama "Die grüne Göttin" (1923)

Masken oder Gesichter:

- Frage, ob Investition von echten Gefühlen die schauspielerische Darstellung befördere oder belaste
- Zweifache Schwierigkeit:
1. Tatsachenfrage: Haben Schauspieler Empfindungen? Sollten Schauspieler Empfindungen haben?
2. Theoretische Frage: die Diskussionsgrundlage ist nicht unbelastet -> Benötigung logischer Beweise
- von allen Künsten ist schauspielern reinste Form der Nachahmung
- ist Gegenpol zur Musik (Bildhauerei, Malerei und Dichtung)

Schauspielern als Form der Nachahmung:

- Schauspielen heißt Nachahmen oder es taugt nichts
- hört es auf, Nachahmung zu sein, ist es auch nicht mehr Schauspielen und wird etwas anderes
- ein Schauspieler ist nicht unbedingt einfacher Kopist der Natur
- er ist ein Mensch, der seinen Körper als Medium gebraucht, um die Sitten und Leidenschaften anderer Menschen nachzuahmen
- wichtigste Aufgabe: Wiedergabe der Leidenschaften
- äußerliche Anzeichen von Leidenschaft bestehen in Veränderungen des Gesichts, der Gliedmaßen oder der Sprechorgane, die meist mehr oder weniger präzise mechanisch nachgeahmt werden
- Imitation durch z.B. hinkender Krüppel oder irischer Akzent
- Kummer und Freude, Entsetzen und Wut - nicht allein durch die Beherrschung von Muskeln und Gewebe nachahmbar -> niemand kann auf Befehlt erröten oder erbleichen
- Fähigkeit grundlos in Tränen auszubrechen ist selten
- Schauspieler soll während der Vorstellung auf jeden Fall auf Hilfe der ansteckenden Wirkung von Mitgefühl verzichten
- vollendeter Schauspieler sollte in der Lage sein, alle Ausdrücke des Gefühls mechanisch zu mimen
- zu 1. Frage: Geben Schauspieler gewöhnlich der Ansteckung durch Mitgefühl nach? Akzeptieren die ganz großen Schauspieler, die die ihr Publikum besonders stark bewegen konnten, diese Methode oder lehnen sie sie ab?

Eigentliche Untersuchung ab vierten Kapitel

- eines der deutlichsten Symptome für ergreifende Gefühle - ist das Vergießen von Tränen (auf der Bühne häufig, sogar üblich)
- Tränen werden in gewissen Fällen mechanisch erzeigt -> kein schlüssiger Beweis für irgendeinen bestimmten Gefühlszustand

Fünftes Kapitel

- eigene und gespielte Gefühle - manchmal zum Vorteil und manchmal zum Nachteil der Darstellung des Schauspielers

Sechstes Kapitel

- magere Beweise, heftige Gefühlsausbrüche (ob beobachtet oder erfahrene) kaltblütig zu spielen
- keinerlei Beweis dafür, dass gefühllose Nachahmung wirkungsvoller ist als gefühlvolles Spielen

Siebtes Kapitel

- Lachen = typischer Ausdruck für freudige Gefühle (kann bewusste und mühsame Simulation bedeuten)

Achtes Kapitel

- drei Symptome für heftige Gefühle: Erröten, erblassen, schwitzen -> gespielte Gefühlserregung nicht, wie manche behaupten, einfach ein Zustand unbestimmter Aufregung, sondern der wirklichen Erregung sehr verwandt ist

Neuntes Kapitel

- Nervenzentrum durch eine Reaktion auf äußerliche Merkmale der Leidenschaft, äußerlich mobilisieren zu können

- 2 Praktiken:
a) Unterstützung des Schauspielers gleichsam in das Phantom seiner Phantasie zu schlüpfen und sorgsam davon umhüllt zu bleiben
b) Steigerung der Empfindlichkeit seines Körpers für eine Ansteckung durch die Gefühle seiner Figur

Zehntes Kapitel

- Beherrschung bei leidenschaftlichen Ausbrüchen
- Bezeichnung des Anti-Emotionalisten als den Normalzustand des emotionalen Schauspielers

Elftes Kapitel

- Problem des Ensuite-Spiels: Gründe, dass ein Schauspieler seine Rolle so oft wiederholen muss, bis er sie vollkommen automatisch spielt, abzulehnen und statt dessen zu glauben, dass ein Schauspieler eine Rolle unendlich oft wiederholen kann, ohne zum Automatismus zu degenerieren, wenn er sich nur zwischen den einzelnen Rollen genug Erholung und Abwechslung gönnt

Zwölftes Kapitel

- künstlerische Calvinisten, die darauf bestehen, dass jedes Detail von Position, Haltung, Gestik und Modulation streng vorherbestimmt wird
- Arminianer, die der Bühne, Impulsen, Spontaneität und Willensfreiheit viel Raum geben
- Anhänger der Notwendigkeit keinesfalls unvereinbart mit einer ausgeprägten Empfänglichkeit für den emotionalen Einfluss, den ihre Rollen auf sie ausüben
- Unterscheidung zwischen den einfachen oder ursprünglichen Gefühlen wie Schmerz, Freude, Entsetzen usw. und den sekundären oder komplexen und häufigen Gefühlen wie Lieben, Hass, Eifersucht usw., die keine unmittelbaren und charakteristischen äußeren Symptome aufweisen und deshalb eher geistige Zustände genannt werden müssten
- gespielte Gefühle scheint in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle seine Wirkung zu entfalten
- Anti-Emotionalisten sollten Schauspieler nicht zu umständlicher Route überreden, die die Leistung der Phantasie unterdrückt und die mechanische Nachahmung kultiviert
- der größte Virtuose der mechanischen Mimikry diese kunstvolle und vollkommene Wahrheit der Nachahmung erreichen kann, die einem Schauspieler gelingt, der künstlerisch kontrollierte Empfindsamkeit mit perfekten physischen Ausdrucksmitteln kombiniert
- Möglichmachen, dass Schauspieler empfindliche, wahrheitsgetreue Vibration hervorbringt und wiederholen kann (Einbildungskraft kann ohne Schwierigkeit winzige, aber ausdrucksvolle - muskuläre und vaskuläre - Veränderungen bewirken) -> Erröten, Erblassen (noch viele ähnliche Veränderungen)
- Thema gespielter Gefühle steckt voller Feinheiten und Schwierigkeiten

Definition: Maske

* ursprünglich aus dem Arabischen: drollig, lächerlich

* = Gesichtsbedeckung (Larve) bei rituellen Anlässen oder als Verkleidung des Gesichts im Theaterspiel, hinter der sich die Träger verbergen und andere Identität vortäuschen können.

* Insbesondere in der Antike verwendet, ist kultischen Ursprungs

* Neben starren abnehmbaren Hohlformmaske gibt es die s.g. Schminkmaske, die Gesicht des Schauspielers durch Schminke, Perücke, Bart, Brille...im Hinblick auf seine Rolle verändert.

Geschichte

* aus kultischen Fest der Dionysien hervorgegangene griechische Drama übernahm Masken für Schauspieler sowohl in Tragödien als auch in Komödien.

* bestanden aus Holz, Baumrinde, Leder oder Leinwand mit Augen- und Mundöffnungen.

* Seit Aischylos wurden die plastisch gearbeiteten Masken bemalt und mit Perücke versehen.

* erhabenen Gestaltung der Tragödienmasken mit gleichförmig standardisierten Zügen

* in Komödie und im Satyrspiel Masken mit verzerrtem oder tierähnlichem Ausdruck

* Tragen von Masken ermöglichte Darstellung mehrerer Rollen durch einen Schauspieler, insbesondere Darstellung weiblicher Rollen durch Männer

* Römer verwendeten stereotype Masken bei Aufführungen von Typenkomödien wie Commedia dell'arte.

* Im 1. Jahrhundert v. Chr. Masken für Tragödien eingeführt

* In Masken Mysterienspielen des mittelalterlichen Europa, um Drachen, Ungetüme, allegorische Figuren, den Teufel,... darzustellen.

* Während der Renaissance verwendete man Halbmasken, die Augen und Nase bedeckten,

* Diese halfen die Schauspieler auf feste, psychologisch kaum differenzierte Typen zu reduzieren

* In der Renaissance fand Maske Verwendung bei Hofe

* Im Theaterbereich plastischen Masken zunehmend durch Schminkmasken ersetzt.

* Mit Hervorhebung des Individuums gegenüber dem schicksalhaften Geschehen fand Maske in neuzeitlichen Dramenkonzeptionen kaum noch Anwendung.

* Beibehalten zum Teil noch in Typenkomödien etwa der Commedia dell'arte oder - in der Moderne - im absurden Theater, wo sie das Groteske der Darstellung und die Entfremdung der Figuren steigern bzw. illustrieren soll.

* symbolisieren im traditionelle chinesische Schauspiel Könige, Prinzessinnen und groteske Charaktere

* In der japanischen Bühnenkunst des No finden kleine, leichte Masken aus lackiertem oder vergoldetem Gips Verwendung

Bsp. NO-SPIEL

* No, die klassische japanische Bühnenkunst No entwickelte sich aus dem Zen-Buddhismus und aus Volkstänzen

* No verbindet Pantomime, Akrobatik und clowneske Elemente.

* Ende des 14. Jahrhunderts hatte sich mit dem No das traditionelle japanische Theater ausgeformt.

* No-Stücke umfassten feierliche Tanzdarbietungen, die den Charakter der jeweiligen Figur ausdrücken sollten

* lässt sich in fünf Spielgruppen unterteilen: Götter-, Helden-, Zeit-, Irrsinns- und Geisterstücke.

* Im rituellen No-Spiel mit Schauspielern, Chor und Orchester tragen die Akteure im Gegensatz zum Hauptdarsteller des No (Shite) keine Masken und sind gänzlich ungeschminkt

* Das stilisierte No-Spiel handelt von Göttern, den Geistern toter Krieger, von Frauen mit tragischen Schicksalen, Verrückten und Teufeln.

* Die ausschließlich männlichen Schauspieler des No sind farbenprächtig kostümiert.

* Das No-Spiel wird auf einer speziellen überdachten Bühne aufgeführt,

Bsp. Maskenspiel

* seit der italienischen Renaissance veranstaltete Bühnenaufführungsform, in deren Mittelpunkt Dichtkunst, Musik und Tanz standen.

* Im England des 17. Jahrhunderts waren Veranstaltungen dieser Art, die so genannten masques, insbesondere in höfischen Kreisen sehr beliebt.

* Schauspieler trugen in antiker Tradition Masken und stellten in bestimmter Verkleidung allegorische oder mythische Figuren dar.

* Das feierliche höfische Maskenspiel wurde 1512 in England eingeführt.

* entwickelte sich zur beliebtesten Theaterform.

* Bühnenautoren und Dichter: Ben Jonson, John Fletcher und John Milton.

Begriffserläuterung:

Commedia dell'arte

auch Commedia improvvisa,

Mitte des 16. Jahrhunderts in Italien entstandenes Stegreiftheater, bei dem professionelle Schauspieler auf Wanderbühnen Handlungsabläufe und Szenenfolgen darstellten.

Dionysien

im 6. Jahrhundert v. Chr. als Kultfeste offiziell eingeführte Feierlichkeiten im antiken Griechenland zu Ehren des Weingottes Dionysos, zu denen sakrale Umzüge mit dem Kultbild des Dionysos, rauschhaft ekstatische Tänze und Chorgesänge, Stieropfer sowie Aufführungen von Dramen gehörten.

Satyrspiel

Bezeichnung für das ausgelassene, komödienhafte Nachspiel zum klassischen griechischen Tragödienzyklus.

Benannt ist das Satyrspiel nach den Satyrn, übermütig-lüsternen Waldgeistern oder Fruchtbarkeitsdämonen mit tierhaften Zügen, die den Weingott Dionysos begleiteten.

Aischylos

(525-456 v. Chr.), griechischer Schriftsteller. Er war der erste große Tragiker Athens. Als Vorgänger von Sophokles und Euripides begründete er die griechische Tragödie.

Typenkomödie

Sonderform der Komödie, die ihre Figuren nach überindividuellen Merkmalen wie Herkunft, Klassenzugehörigkeit und beruflicher Prägung typisiert.

Atellane

auch fabula atellana, altitalische volkstümliche Stegreifkomödie des Altertums, deren Name auf ihren Herkunftsort, die in Kampanien gelegene Stadt Atella, zurückgeht.

Links zu Kritiken und Artikeln

Perlentaucher: Tägliche Übersicht über die Feuilletons

Theater Corner: Kurze Texte von Ekkehard Knörer zu aktuellen Inszenierungen

Furl (aktuelle Links)