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JUMP CUT. MAGAZIN FÜR FILM & KRITIK

NETZTIPP: PETRI LIUKKONENS BOOKS AND WRITERS
(English version)
[Image]Einen dieser gewiss sehr einsamen schöpferischen Gewaltakte, der den Rest der Welt beglückt, gibt es auf der finnischen, aber englischsprachigen Website Petri Liukkonens zu bewundern. Unermüdlich schreibt Liukkonen an einem Literaten-Lexikon, das seinesgleichen sucht. Bereits jetzt gibt es hunderte von Einträgen, die sich um Genres oder Nationalitäten, vermeintliche oder wirkliche Niveauunterschiede einfach nicht bekümmern. James Joye steht neben Erich Kästner, Donald Westlake neben Gottfried Keller, Georg Lukacs neben Robert Ludlum und so fort ad beinahe infinitum. Die Angaben zu den einzelnen Autoren sind erstaunlich umfangreich und vor allem zuverlässig und solide - und, das macht das ganze so schwer fasslich, alle stammen aus der Feder eines einzigen Mannes. Und: das ganze ist nicht nur in seinem Titanismus bewundernswert, sondern auch sehr nützlich.

Wir haben per Email ein Interview mit dem Schöpfer von Books and Writers geführt:

Haben Sie in Ihrem Beruf mit Büchern zu tun?

Bücher sind schon immer ein Teil meines Lebens gewesen. Aber einfach nur lesen ist noch einmal ganz etwas anderes als Leidenschaft für Bücher - denn das bedeutet auch die Faszination durch Papier, Druckerschwärze, Staub. Seit vier Jahren arbeite ich als leitender Bibliothekar der Stadtbücherei von Kuusankoski, aber nur weil ich die Hoffnung aufgegeben habe, Frauen mit meiner Berufswahl zu beeindrucken. Bibliothekare gelten ja nicht gerade als sexy - sogar ein nach Schafen riechender Hirte weckt da größeres Interesse. Welcher erste Satz in einem Gespräch in der Bar wäre schlimmer als „Haben Sie Krieg und Frieden gelesen?"? Naja, vielleicht „ Wie, Sie wissen nichts über Phänomenologie?" Als ich noch dümmer und blauäugiger war, habe ich alles mögliche gemacht - habe als Radiojournalist gearbeitet, als Projektkoordinator in Tansania, als Kunstkritiker in Helsinki und vor Jahren war ich einmal als Arrangeur von „Schneemänner"-Shows in der Nähe des Polarkreises tätig - das waren Wettbewerbe von Muskelprotzen inmitten von Schnee, Eis und Kälte. Am beliebtesten war ein Tauziehen über einem Loch im Eis. Und ich war ein höchst erfolgloser Manager eines Zauberers und einiges andere.

Sie leben in der kleinen finnischen Stadt Kuusankoski (ca. 20000 Einwohner): wie recherchieren sie da, woher bekommen sie all die Bücher und, noch erstaunlicher, die englischen Ausgaben, aus denen Sie zitieren?

Ganz banal - als Bibliothekar ist es für mich ganz einfach, an die Bücher zu kommen, die ich brauche. Es ist ja meine Beamtenpflicht, mein ganzes Budget für Bücher, Gehälter, Computer, Elektrizität auszugeben. Das ist großartig und es macht auch die Bibliotheksbesucher glücklich. Außerdem gibt es in der Region Kymenlaakso mehr als eine Million Bücher, und meine Kollegen tun ihr bestes, ihre Budgets für Bücher, Gehälter, Computer, Elektrizität auszuschöpfen. Gott segne ihren Fleiß.

Die meisten Zitate nehme ich direkt aus den besprochenen Büchern, ich wähle sie ganz nach meinem zweifelhaften Geschmack. Ich habe auch Bartletts „Familiar Quotations" und andere bekannte Auswahlbände benutzt, um es ein wenig anzureichern. Früher oder später werde ich übrigens einmal einen fiktiven Autor erfinden, mit netten Zitaten und allem, und als Nobelpreiskandidat vorstellen.

Wann haben Sie die Arbeit an Books and Writers begonnen?

Der AC entstand 1998, nur zum Spaß, und als einfacher Geburtstagskalender, mit ein paar Zeilen zum Autor. Dann machte ich einen schrecklichen Fehler - ich begann, meine Website auszubauen. Mittlerweile habe ich, wie mir scheint, einen „Schreibplan auf Lebenszeit" entwickelt. Eine neue Art Dantescher Hölle oder Internet-Sklaven-Galeere. Im November 2000 habe ich den Namen zu „Books and Writers" geändert, in der Hoffnung, dass jemand die Website kauft und micht befreit.

Planen Sie die Veröffentlichung in Buchform?

Books and Writers wird ausschließlich fürs Internet geschrieben. Wenn ich zu erschöpft bin, um weiterzumachen, dann gehe ich nach Lappland und grabe nach Gold.

Wieviel Recherche steckt in jedem der Einträge? Sind die Unterschiede zwischen einzelnen Einträgen dabei sehr groß - und wie lange arbeiten Sie an jedem einzelnen Eintrag?

Ich brauche eine Woche für einen Eintrag. Normalerweise lese ich am Wochenende Texte des betreffenden Autors, frische meine Erinnerung an ihn auf, falls ich überhaupt eine habe. Das ist der wirklich interessante Teil der Recherche. Dann schreibe ich drei Tage und gehe dann oft noch einmal zu den Texten zurück. Es macht mir keinen Spaß, Englisch zu schreiben - es ist nicht meine Muttersprache. Ich habe immer das Gefühl, dass ich dasselbe auf Finnisch besser sagen könnte. Und schneller ginge es ohne die Wörterbücher auch.

Wie viele der Autoren kennen Sie aus eigener Lektüre - und wieviele lernen Sie durch und für den Kalender kennen?

Ich habe mit etwa zwölf Jahren angefangen, Kafka, Maupassant, Tschechow und andere russische Klassiker, die Tarzan-Bücher, Simenons Krimis, Science Fiction, Literatur jeder Art zu lesen. Die meisten der auf der Website vorgestellten Autoren sind für mich, meine Familie oder Freunde, wichtig gewesen. Es gibt Echos aus der Bibliothek meiner Eltern und Großeltern, Philosophen und Autoren, deren Werk ich für die Universitätsexamen geschwänzt habe (ich bin aber dennoch durchgekommen - eine Schande!). Darunter sind finnische Autoren, die ich persönlich kennengelernt habe oder gerne kennenlernen möchte. Einige der Einträge verdanken sich auch Vorschlägen von Besuchern. Aus Köln habe ich eine lange Liste erhalten, mit Namen wie Ingeborg Bachmann, Hermann Broch und Max Frisch. Da lebt jemand, der einen viel besseren Geschmack als ich hat in Köln.

Wer sind Ihre Lieblingsautoren?

Ich habe, denke ich, mein Leben lang nach dem vollkommenen Buch gesucht, aber diese Suche ist, natürlich, sinnlos. Es sind viel zu viele, die ich empfehlen kann, aber warnen kann ich vor zwei oder drei. Nach der Dostojewski-Lektüre ist man nicht mehr derselbe, aber Dostojewskij und Tolstoi sind eine gesündere Methode, sich dem Wahnsinn zu nähern, als Drogen. Jorge Luis Borges führt in eine Sackgasse - man kann die Geschichten genießen, aber sollte sie nicht zu ernst nehmen. (Borges war Bibliothekar). Einst habe ich gedacht, Heideggers „Sein und Zeit" würde all meine philosophischen Probleme lösen, vor allem die, die mit dem „Sein" zu tun haben. Ich war fünfzehn, hatte das Buch in einer Leihbibliothek gefunden und konnte kein Wort deutsch. Also habe ich begonnen, in der Schule diese großartige Sprache zu lernen, habe aber bald gemerkt, dass ich zu jung für Heidegger war - er ist nicht Edgar Rice Burroughs. Im letzten Jahr wurde Heideggers klassisches Buch ins Finnische übersetzt. Ich habe es mir noch einmal vorgenommen, voller Erwartungen, aber ich hatte dann zu viel „Sein" und zu wenig „Zeit". Wenn man älter wird, wird „Zeit" wichtiger

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