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Musik: R.E.M: Reveal

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REZENSION

R.E.M.: Reveal (2001)

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R.E.M. entdecken die Leichtigkeit des Folk-Pop

Von Christof Herrmann

Das jüngste Album von R.E.M., das 12. im 21. Karrierejahr, heißt Reveal und der Name scheint Programm zu sein. Zu entdecken gibt es wie gewohnt einiges, aber heuer auch einiges zu enthüllen. Kurz vor Veröffentlichung der Platte bekannte sich Michael Stipe im "Time"-Magazin zu seiner jahrelang verheimlichten Homosexualität. Wer die Band Mitte Mai auf ihrem Free-Konzert vor dem Kölner Dom bewundern konnte, erlebte einen bestens gelaunten, fast schon euphorischen Sänger. Der Schock nach dem Weggang von Drummer Bill Berry, der das diffuse Up nach sich zog, scheint verkraftet zu sein, auch wenn Nachfolger Joey Waronker (ex-Beck) noch nicht als vollwertiges Bandmitglied akzeptiert ist. So geriet Reveal nicht zu dem befürchteten biederen Alterswerk, sondern vielmehr zu einem luftigen, ungezwungenen Sommerplatte.

Trotz der von R.E.M. beschworenen Rückbesinnung auf die Musik ihrer Anfangstage, gibt es keinen verschrobenen Garagensound wie auf ihrem 83er Debüt Murmur zu hören. Auch der vielgerühmte "Wall of sound", den R.E.M. Mitte der 80er Jahre neben den unvergessenen Pixies und Hüsker Dü geprägt haben (etwa auf Life's Rich Pageant von 1986), gehört endgültig der Vergangenheit an. Vielmehr scheinen Stipe, Buck und Mills wieder reichlich das amerikanische Triumvirat Beach Boys, Big Star und Byrds gehört zu haben. Reveal ist schlichtweg fröhlicher Gitarrenpop, den sich die drei Freunde aus Athens/Georgia nach all den Turbulenzen der 90er Jahre von der Seele spielen. Bassist Mike Mills bezeichnet das neue Werk treffend als ein Album, das man "gut anhören kann, wenn man im Cabrio fährt".

Gott sei Dank verkümmern die 12 Lieder zwischen dem großartigen "The Lifting" und dem leisen Abgang "Beachball" nicht zu zuckersüßem Machwerk a la "Losing My Religion", sondern feiern eine Bittersweet Symphony für das neue Jahrtausend. Dafür verantwortlich ist vor allem Michael Stipe, dessen Gesang an Intensität kaum mehr zu überbieten ist (man höre sich nur "I've Been High" an).

Gleich im ersten Stück "The Lifting" verrät uns Michael Stipe, dass es endlich Sommer ist und die Sonne scheint: "The weather's fine, the sky is blue – it's perfect for our seminar". Wir sitzen alle in einem Boot, schauen ins klare Wasser und wundern uns was es da auf dem Meeresgrund alles zu entdecken gibt: "Once you had a dream of oceans and sunken cities". Das Klavier gibt den Takt vor, während sich ein Sammelsurium an Instrumenten zum Höhepunkt schraubt, ohne dabei das Tempo merklich anzuziehen. "The Lifting" ist das beste Eröffnungsstück von R.E.M. mindestens seit "What's The Frequency Kenneth?".

Doch der Traum wird noch schöner: In "I've Been So High" bilden Keyboards, Samples, Gitarre und Geigen die Melodie, die abbricht, sobald Stipe den Refrain singt, um danach gleich wieder einzusetzen.

Eine Twang-Gitarre und ein Wellblech setzen in "All The Way To Reno (You´re Gonna Be A Star)", voraussichtlich die zweite Singleauskopplung, verhaltene Akzente. Der Refrain "You're gonna be a star" wird so lange wiederholt, bis wir es schließlich alle glauben.

Mit der akustischen Gitarre klingt "She Just Wants To Be" angenehm vertraut und gesellt sich zu klassischen R.E.M.-Balladen wie "Everybody Hurts". "Beat A Drum" ist ein erneut von Stipe's Stimmakrobatik getragenes Faszinosum mit dezenten Klavierpassagen im Hintergrund , "Imitation of life" immerhin der Sommerhit des Jahres.

Auch die bilderreiche Elektro-Folkballaden "Summer Turns To High" schwelgt in höchster Harmonie: "With my bedsheet cape and sandals, circle citronella candles, summer's here, the light is raising, hopes and dragonflies". Sind die Shiny happy people nun endlich wirklich glücklich? Es scheint fast so, zumindest bis zum Ende des Songs.

Dass auf "I'll take the rain" kurzzeitig der Winter einbricht, stört nicht weiter, setzt sich doch die Melodie bis auf weiteres in die Gehörgänge fest.

Das Dutzend endet mit dem verhaltenen Spielchen "Beachball", das erst nach mehrmaligem Hören seinen vollen Reiz gewinnt.

Bleibt die Frage warum Reveal trotz all der Freude, das es verbreitet, nicht ganz an R.E.M.'s melancholisches Meisterwerk Automatic For The People heranreicht. Vielleicht weil Reveal nur ihr bisher schönstes, nicht aber ihr faszinierendstes Album ist.

"That's sugarcane, that tasted good, that's cinnamon, that's Hollywood, c'mon, c'mon, no one can see you try" lockt Michael Stipe auf der ersten Single "Imitation Of Life" mit glasklarer Stimme. Nur allzu gern lassen wir uns einen Sommer lang von solchen Klängen verführen.

Meine Anspieltipps sind "The Lifting", "She Just Wants To Be" und "I'll Take The Rain".

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R.E.M.: Reveal (2001)

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