Michael Powell & Emeric Pressburger: Irrtum im Jenseits - A Matter of Life and Death (GB 1946)

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Michael Powell & Emeric Pressburger: Irrtum im Jenseits - A Matter of Life and Death (GB 1946)

GB 1946

Regie, Buch: Michael Powell, Emeric Pressburger

Mit David Niven, Kim Hunter, Roger Livesey

 
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Michael Powell & Emeric Pressburger: Irrtum im Jenseits - A Matter of Life and Death (GB 1946)
Kritik von Ekkehard Knörer


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Unsere Geschichte (es ist die Sorte Geschichte, die mit solchen Worten beginnt) nimmt ihren Anfang im Weltall. Sterne und Blau und Wirbel, die Kamera schwenkt von rechts nach links, im Voice Over wird das launig kommentiert. Dann landen wir - aber, weit gefehlt, nicht ein für allemal - in der Wirklichkeit, im finsteren Jahr 1942, in einem Flugzeug, das brennt, wir hören den gut gelaunten britischen Piloten, wir sehen, im Close Up das Gesicht der Frau, in die er sich, mit voller Absicht, gerade verliebt (und sie sich in ihn). Die Situation ist jedoch noch ungewöhnlicher als sie klingt: das Flugzeug stürzt gerade ab, sein Rettungsfallschirm ist zerfetzt, es sind die mutmaßlich letzten Worte, die er mit June aus Boston, die nun Tränen in den Augen hat, wechselt. Sie möge seiner Mutter sagen: er liebe sie.

Es folgt ein Schnitt und nicht nur wir sehen, sondern auch Peter Carter, der Pilot, sieht - sich im Jenseits wähnend - Unerwartetes, als er die Augen aufschlägt: einen Strand, Wasser, einen flötespielenden, nackten Hirtenjungen - und dann ein über die Köpfe donnerndes Flugzeug. Auf einem schmalen Weg auf einem Fahrrad eine Frau, er eilt zu ihr: es ist June, sie erkennen sich ohne Worte, fallen sich in die Arme, küssen sich. Das ist nicht das Paradies, viel besser: es ist das Leben, er ist nicht tot, die Frau ist echt, der Beginn einer wunderbaren Liebe. Freilich hat das einen Haken. Szenenwechsel. Vom prächtigen Technicolor geraten wir ins Schwarz-Weiß einer Zukunfts-Architektur, die den Himmel darstellt. Der Funker wartet auf seinen Piloten (eben Peter Carter), der nicht eintrifft. Tot sollte er sein, ist es nicht. Der Schuldige ist schnell gefunden, ein Engel, der durch den dichten englischen Nebel irrend, den Toten verpasst und so versehentlich am Leben gelassen hat. Der Bote ist Franzose, sein Leben und seinen Kopf verlor er bei der Revolution, quel malheur. Er soll nun, auf dessen guten Willen setzend, Peter Carter doch noch holen.

Der aber liebt und denkt nicht daran, den herrlich bunten Planeten zu verlassen. Die ersten Worte des Engels, der in einer Art irdischem Blütenparadies anlandet, in einem Garten Eden der Liebe, auf dessen Erde sich Peter und June in romantischer Absicht gebettet haben, der Stoßseufzer: Warum nur haben wir bei uns kein Technicolor. Die Zeit steht still, buchstäblich, und nicht zum letzten Mal. Nicht nur mit der Farbe als techni(colori)scher Verzauberung treiben Powell und Pressburger Schabernack, auch die Bewegungsillusion des Films nehmen sie durch Stillstellung der Restwelt in immer kurioser werdenden tableaux vivants (Tischtennisspiel, Schädeloperation) aufs Korn, in gefaketen freeze frames von Zeit und Bewegung, die, wenn er nicht selber drauf gekommen ist, noch Nicholson Baker für seinen sehr ungezogenen Roman "Die Fermate" geklaut hat. Später dann erleben wir eine so ungeheuerliche wie fabelhafte Demonstration einer POV-Einstellung: leinwandgroß senkt sich das Lid übers Auge, das die Kamera ist. Carter unterdessen rückt kein Stück und kommt nicht mit: er fordert einen Prozess, schließlich gebiete die normative Kraft des Faktischen (vulgo: die nach illegalem Überleben eingetretene Liebe) die Revision des Urteils. Der Fall aus dem Flugzeug, der Fall ins Paradies, als das sich die Erde so unerwartet erweist, wird zum Fall vorm obersten himmlischen Gericht. Gesucht wird ein Verteidiger, der Ankläger ist gefunden: ein amerikanischer Unabhängigkeitskämpfer, einst gefällt durch eine britische Kugel, er hat, verständlicherweise, nationale Vorurteile.

Was folgt, ist eine Zwischenzeit, hin zur abschließenden Verhandlung. Ein weiterer Szenenwechsel, ins Bild tritt der höchst belesene Arzt und gottgleiche Camera-Obscura-Experimentator Dr. Reeves, der eine neurologische Ursache für die Visionen Carters vermutet. Er ist eine wunderbare Figur, kommt bei einem Motoradunfall ums Leben, ab geht's nach oben, so ist dann auch der Verteidiger für den Prozess gefunden. Auf Erden koinzidiert (anders kann man's nicht sagen, denn die Suggestion, es handle sich im Ganzen nur um eine Halluzination des sterbenden Carter, ist zum Glück nie mehr als das; die Evidenz der fantastischen Bilder steht mächtig dagegen) der Prozess mit der Hirnoperation. Entstanden ist der Film - 1946 - auf Anregung des Informationsministeriums mit dem Auftrag, das amerikanisch-britische Verhältnis ins rechte Licht zu rücken. Die Anklage- und Verteidigungsrede schienen Powell und Pressburger der rechte Ort zur Thematisierung, geistreich und unter Aufbietung abgrundtiefer britischer Selbstironie kommt's zum Gefecht. Radios werden präsentiert: ein Cricket-Kommentar hier, ein Big-Band-Song da. Man kann es nicht aufzählen, zu reich ist der Film an so entzückenden wie kauzigen Details. Es genüge zu sagen (dass man es gesehen haben muss, versteht sich von selbst): auf einer großen Treppe bewegt sich die Himmelskongregation auf den Operationssaal zu, die Farbe fließt von hier nach da und omnia vincit amor.

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