F.W.Murnau: Tabu (USA 1931)

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F.W.Murnau: Tabu (USA 1931)
Kritik von Ekkehard Knörer


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Das Paradies hat einen Körper in geschwindester Bewegung. Der Körper ist die Insel, auf der, zu Lande und zu Wasser wie ungeschieden die Männer und die Frauen zuhause sind. Aus dem Körper lösen sich exemplarische Einzelkörper, die eins sind miteinander und viele, Matahi, der strahlend auf dem Fels steht im Meer oder im Wasser schwimmt auf der Insel. Und Reri, hinter den Blättern einer Pflanze verborgen und verschmolzen mit ihr, die Liebe, das Begehren sind das natürlichste von der Welt für diesen zeitlosen, gesetzlosen Körper im paradiesischen Zustand. Reri und Matahi, Mann und Frau, sind Adam und Eva, verführt aber nicht von einem Willen zum Wissen, sondern konfrontiert mit dem sinnlosesten Gesetz, einer Untersagung, die aus dem Nichts kommt. Murnau inszeniert das Eintreffen des Gesetzes, des Worts, als Opposition aus Bewegung und Starre. Ins Spiel im Wasser, in dem Natur und Körper ein bis zur Abstraktion gemischtes Miteinander von Licht und Schatten sind, dringt zunächst das Gegenbild des Rufers, verdoppelt vom Ton, der hier nicht Musik ist, sondern lautmalerische Unterstreichung. Der Körper, die vielen Körper als einer, geraten in Bewegung, aufs Meer hinaus, die Kamera eilt, bewegt, hinterher - punktiert nun immer wieder vom Schiff, das, wie unbewegt, sich nähert. Das Flirren der Boote, der Ruder, der rudernden Männer, die Boote auf dem Meer, das fast reines Licht zu sein scheint. Dagegen, drohend und unerklärt: das menschenleer, scheint es, dahintreibende Schiff. Der paradiesische Körper reißt auf, noch ehe die ersten Inselbewohner anlegen: der Junge, ein einzelner, der zurückgeblieben ist, Matahi kehrt um, gegen den Strom, auch ihn noch hineinzuholen in diese eine Bewegung. Als er das Schiff erreicht, ist das Wort bereits gesprochen. Das Wort, das als Schrift auftritt, als Vertreter eines abwesend bleibenden Gesetzes, das eine Verkörperung findet im greisen Priester, das Wort, das der Titel des Films ist und sein letztes Bild sein wird: Tabu.

Mit der Untersagung, die ausgesprochen wird, ist das Paradies verloren (bzw.: es wird klar, auf welcher Grundlage der Schein des Paradiesischen beruhte). Von der Gemeinschaft in der Natur fallen Reri und Matahi in die Gesellschaft: der Tanz, die Bewegung, sind nun nicht mehr Natur (immer, versteht sich, als schiere, in den Bildern Murnaus aber evidente Imagination einer Einheit), sondern Ritual, in das hinein, für kurze Zeit, abrupt beendet, noch einmal (wirkungsloser) Widerstand geschrieben werden kann: das Lachen Reris, der ekstatische Tanz der beiden, ein Aufschub des Gesetzeswortes. Reri, nichts als liebend, wird nicht schuldig wie Eva. Gewaltsam wird sie gepackt von dem Gesetz, das sie nicht zum Sündenbock und nicht zum Opfer macht, sondern zum Exempel eines Symbolischen, das im Gewaltakt nur die schiere Bekräftigung seiner normativen Kraft sucht. Das Gesetz kommt zwar von außen, ist aber fremd nur insofern, als am Nicht-Anrührbaren dieser Fremdheit die Gesellschaft als Körper einer Gemeinschaft sich wieder zusammenschließen soll.

Es folgt das zweite Kapitel, Paradise Lost überschrieben, dieser Verlust nun im sehr groben Verstande eines orientalistischen Blicks, der am imaginierten Naturzustand Kritik an den eigenen Verhältnissen, der Zivilisation formuliert. Auf der Flucht aus ihrem verlorenen Paradies sind die Liebenden in der Vorhölle gelandet: sie trinken Alkohol, sie machen Schulden. Das Gegenbild zum Anfang: Matahi in seinem Element, dem Meer, nach Muscheln tauchend, aber nun im nicht durchschauten Kontext kapitalistischer Ausbeutung. Auch hier ein Tabu, diesmal aber in der aufklärbaren Variante; nicht Geister sind es, die am Muschelgrund ihr Unwesen treiben, sondern ein Hai. Zutritt verboten, aus reinem Geschäftsinteresse: Entleerung des Begriffs. Kurz gesagt: ein Raum anderer Gesetze, die im Grunde nicht viel anderes sind als Anomie. Der Polizist, hier der Herr der Schrift - ganz parallel in Szene gesetzt - ist bereit zur Auslieferung nicht aus Gründen der Aufrechterhaltung symbolischer Ordnung, sondern aus reiner Gier. Gespensterhaft in dieser Fremde daher der Auftritt Hitus, des anderen Gesetzes - und dennoch nicht weniger verpflichtend. Es ist die Unterordnung unters eigene Gesetz noch im Fremden, die Reri zur Aufgabe treibt. Matahis Versuch, den Bruch des einen Tabus durch den Bruch des anderen zu heilen, muss scheitern. Es ist das ein Akt totaler Verkennung der Ordnungen. Und längst ist das Meer, Ort zunächst der Symbiose, als solcher in den ersten Bildern inszeniert, tödlich geworden. Murnau findet dafür das Bild vom endlos ablaufenden Seil auf einem Muscheltaucherboot, kündigt damit das Ende Matahis an, der über Riff und Meer und Meer und Riff der auf Hitus Schiff entschwindenden Reri hinterhereilt - eine Flucht, die an die Flüssigkeit der Bewegungen des Beginns anzuschließen scheint -, das Seil zu fassen bekommt. Mit Hitus Schnitt erfüllt sich das Gesetz. Von allen Ordnungen verlassen, stirbt Matahi im Meer, das nun auch noch gegen ihn sich wendet. Nicht "The End" erscheint auf der Leinwand, es erfüllt sich am Ende die Schrift: "Tabu".

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