| Andreas Dresen geht auch mit seinem neuen Film wieder da hin,
		    wo es wehtut. In den deutschen Nordosten nämlich, diesmal die
		    uckermärckische Provinz, Schwedt zum Beispiel, jenen Ort, den der
		    Spiegel vor ein paar Jahren groß rausbrachte als hässlichste
		    Stadt der Republik. Der neue Dresen ist nicht, wie zuletzt, ein Spielfilm,
		    auch kein improvisierter, sondern eine fürs Fernsehen enstandene
		    Dokumentation recht konventioneller Machart, die schiere Kamerabeobachtung
		    ohne jeden Erzählerkommentar, nur hier und da macht sich der Schnitt
		    den einen oder anderen Reim auf das, was man sieht. Worum es geht: der junge,
		    nämlich gerade mal 25jährige Henryk Wichmann ist unterwegs als
		    Bundestagskandidat für die CDU in einem Wahlkreis, der auf so
		    selbstverständliche Weise für Markus Meckel von der SPD abonniert
		    ist, dass der nicht ein einziges Mal im Film auftaucht oder in der Gegend,
		    wenn man recht versteht. Er spielt mit seinen 54 Prozent vom letzten Mal
		    in einer anderen Liga als der Rest der Kandidaten, deren Bemühen deshalb
		    von Anfang an so sinn- wie trostlos scheinen muss.
		     
		    Im Grunde also ist Henryk Wichmann ein Held der Sorte, die Steine
		    wälzt und weiß, dass sie am Ende wieder runterkullern werden.
		    Das Ende ist der Tag der Bundestagswahl, Dresen ist dabei bis zum bitteren
		    Ende, der Stein kullert runter - aber so richtig wundern muss es einen nicht.
		    Wir erfahren dabei nie, was Wichmann wirklich denkt, das wahre Ausmaß
		    seines Heroismus oder Idealismus oder seiner Verblendung kann man nur ahnen.
		    Kein einziges Interview gibt es, man sieht den Mann immer nur in politischer
		    Aktion: auf der Straße, im Altersheim, beim Auftritt Angela Merkels.
		    Auch seine Privatsphäre mit (schwangerer) Freundin kommt nur dezent
		    ins Bild, wenn er gebannt auf den Fernseher starrt: das Duell der Kandidaten.
		    Vielleicht ist das auch schlicht die Wahrheit: der Politiker ist nicht mehr
		    als die Summe seiner Auftritte und kann sich nicht erlauben zu denken, was
		    er denken würde, wäre er Privatmann. Wie zum Beispiel: was für
		    einen Scheiß die Leute reden, wie peinlich es ist, mit einer Handvoll
		    Besoffenen die Nationalhymne zu singen, einsam und verlassen am Straßenrand
		    zu stehen, den Wahlkampfschirm weht's davon, Rüttgers steckt auf der
		    Autobahn fest und kein Schwein interessiert sich für dich.
		     
		    Dresen, der ein maßloser Humanist ist (wofür man ihn lieben
		    oder hassen kann; ich mag das sehr), ist überaus fair in der Darstellung
		    dieses Mannes, der immerhin nicht widerspricht, wenn die allfälligen
		    Ausländer-Raus-Parolen kommen, der, als hätte er sonst keine Sorgen,
		    immerzu gegen die Grünen und übertriebenen Umweltschutz hetzt und
		    gegen den man, je nach eigener Couleur, tausendundeinen Einwand erheben kann.
		    Dresen tut das nicht - er neigt weder dazu, Herrn Wichmann zu heroisieren
		    noch macht er ihn lächerlich. Wenig erhebend ist manche Lage, in der
		    er gezeigt wird - aber dieser Trostlosigkeit eignet doch die Objektivität
		    der Aussichtslosigkeit, die in diesem Landstrich des CDU-Kandidaten Los ist.
		    
		     
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