Maria Speth: In den Tag hinein (D 2001)

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Maria Speth: In den Tag hinein (D 2001)

Regie: Maria Speth

Mit Sabine Timoteo

D 2001

 

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Maria Speth: In den Tag hinein (D 2001)
Kritik von Ekkehard Knörer

  

Das Wunder von Maria Speths Film "In den Tag hinein" ist es, dass er doppelt durchkomponiert ist und dennoch sein Geheimnis wahrt. Was man sieht, lässt sich auflösen in geradezu mathematisch genau berechnete Konstellationen und Situationen. Der Vater, der mit den gehörlosen Kindern in ihrer Sprache nur radebrechen kann. Der Leistungssportler, der sich die Zeit noch für den Sex von der Uhr diktieren lässt. Lynn, die sich in den Japaner Koji verliebt, dessen Sprache sie nicht versteht. Der Japaner Koji, der sich in Lynn verliebt, deren Sprache er nicht versteht. Sie reden aneinander vorbei, sie probieren, absurd genug, das Sein als Paar: Schuhe anprobieren. Schuhe stehlen. Sie sitzen nebeneinander, er spricht japanisch, minutenlang, sie schweigt, das war der Trailer damals, ich habe ihn geliebt und den Film dann doch nicht gesehen. Eine Kasuistik der Kommunikationsprobleme, von dieser Seite.

Noch präziser, manchmal preziös, komponiert sind, von der anderen Seite, die Bilder. Tableauartig, fotografisch, die Schönheit der Dämmerung, die Schönheit der Lichtkontraste, die Schönheit eines nächtlichen Berlin, das kaum wiederzuerkennen ist. Der Leistungsschwimmer im Wasserstrom, sorgfältig in den Hintergrund gespiegelt die Trainerin. Der Rand des Geschehens bei den Meisterschaften, die Ansagerin aus dem Off. Die weißen Windungen eines Hausinnenhofs. Der Mensch ist nicht das Zentrum dieser Bilder, er wird oft aufgelöst in Grafik: am Ende die junge Frau nackt auf dem Bett, quer durchs Bild. Mag sein, das lässt sich auch als Vereinzelungs-, Verlassenheits-These lesen. Muss aber nicht. Läuft im guten Fall hinaus auf aufregende Bildfindungen, im schlechten auf eine Versessenheit aufs Schöne als Selbstzweck. Dazwischen changiert der Film und etwas trunken ist er von seinen Bildern; nicht ohne Grund.

Diese Szene aber: Vor dem Fahrstuhl die Schwägerin der jungen Frau mit ihren beiden kleinen Kindern, die gehörlos sind. Die junge Frau tritt hinzu, begleitet von zwei Polizisten. Alle schweigen. Zu sechst stehen sie vor dem Fahrstuhl. Vorsichtig macht eine der Töchter Gebärdenzeichen zu ihrer Tante hin. Das blitzt nur kurz auf. Die Situation ist unerklärt, rätselhaft. Man erfährt nicht, was geschehen ist, minutenlang. Die Aufzugfahrt, im Schweigen. Dann die Auflösung: Die junge Frau hat gestohlen, konnte sich nicht ausweisen, benötigt nun die Bestätigung der Schwägerin, dass sie ist, wer sie ist. Es ist Unfriede zwischen den beiden, die junge Frau hat die Miete nicht bezahlt, sie räumt nicht auf. Maria Speth erzählt das gegen den Strich, mit Sinnverzögerungen. Stets folgen Auflösungen, aber es kann sein: Minuten später. Ein Kuss etwa, im Bildhintergrund, im Bus, der kurz anhält, dann weiterfährt, wird lange später Thema in einem Dialog. Ein schöner Mut, dem Gedächtnis des Betrachters zu vertrauen und ein schöner Mut, in den durchkomponierten Bildern Rätselstellen zu lassen, die erst später ihren Sinn erhalten. Die Gleichungen, die Speth in ihrem Drehbuch entwirft, sie gehen alle auf, aber in den vertrackten Lösungswegen liegt ein Vergnügen.

Das heißt auch: Das Ergebnis ist nicht die Lösung. Es bleiben Unbekannte und das ist die Kunst. Die Figuren bleiben unerklärt, so genau ihr Platz auch anzugeben ist in einer ausgezirkelten Konstellation. Die Erzählweise und die Bilder entsprechen einander in dieser Weise. Unterm Druck großer künstlerischer Kontrolle öffnet sich, paradoxer Weise aus dieser Kontrolle heraus, ein Freiheitsraum. Für die Figuren, für die Interpretation. Nicht, dass das immer ganz überzeugt. Manchmal verklumpt es sich zum bloßen Klischee - obwohl man den Eindruck hat, dass man sozusagen die Rückseite des Klischees zu sehen bekommt, die anders gedacht ist als seine Vorderseite. Nur bleiben sie in Momenten ununterscheidbar, diese beiden Seiten. Man kann an Angela Schanelec denken, der Kameramann ist derselbe, man sieht es dem Zuschnitt der Einstellungen an. Maria Speth aber denkt fotografischer und mathematischer zugleich. Der Film ist für fast kein Geld gedreht, er ist Speths Debüt, er war kein Erfolg. Ein neues Projekt ist nicht in Aussicht. Ich wäre sehr gespannt auf weitere Filme von Maria Speth.

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