These are 21 things that i want in a lover not necessarily
needs but qualities that i prefer, fordert Alanis Morissette im ersten
Song auf ihrer neuen CD Under rug swept. Das könnte auch
Jessica Stein (Jennifer Westfeldt) singen, Titelfigur aus der am 25. Juli
startenden Komödie Kissing Jessica von Regisseur Charles
Herman-Wurmfeld, wenn sie zu einem ihrer Blind Dates mit hoffnungslosen
Exemplaren der männlichen Gattung aufbricht. Immer verspätet taucht
sie im Restaurant auf, etwas konfus und immer auf dem Sprung mit einer
vorgetäuschten weiteren Verabredung zu Sicherheit. In vielen Zügen
eine Schwester im Geiste Ally McBeals ist Jessica Stein eine beruflich
erfolgreiche Zeitschriftenredakteurin, die pedantisch nach Fehlern in den
Texten ihrer Kollegen sucht. Eine 28-jährige Single-Frau, die von ihrer
Mutter unerbittlich mit Erfolg versprechenden männlichen Mitgliedern
der jüdischen Gemeinde in New York verkuppelt werden soll. Die biologische
Uhr tickt, und das Liebesglück ihres Bruders, der in den Hafen der Ehe
einfahren will, verstärkt die Wahrnehmung eigener Defizite in der
Lebensgestaltung.
Wer keine Feinde hat, besitzt wohlmeinende Kolleginnen, die ein Abendessen
unter Freunden organisieren, den passenden Tischpartner zur Hand und dann
nicht umfassend recherchiert haben: Der potentielle Kandidat entpuppt sich
als veritabler Fehlgriff, gesteht er doch vor versammelter Runde, gerade
die Frau seines Lebens gefunden zu haben. Überraschung! Es ist nicht
Jessica Stein, sondern eine Unbekannte, und Fräulein Stein hat Mühe,
die Contenance zu wahren. Zu allem Überfluss setzt ihr Ex-Freund und
Boss Josh Myers (Scott Cohen) bei dem Essen noch einen drauf und attestiert
der Endzwanzigerin Beziehungsunfähigkeit. Wenn da nicht die
Gesichtszüge entgleiten, liegt es nur an eisenharter Selbstdisziplin,
erlangt durch kontinuierliches Joggen.
Galeristin Helen Cooper (Heather Juergensen) hat, was Männer
angeht, mehr Glück. In ihre Affären mit einem immer bereiten
Fahrradkurier und ihrem anderweitig gebundenen Chef hat sich jedoch eine
gewisse Routine eingeschlichen. Dem ultimativen Kick spürt sie mit einer
Kontaktanzeige in der Rubrik Frauen suchen Frauen nach. Die schwulen
Freunde raten zum Einstieg mit einem Rilke-Zitat. Auf die melancholischen
Zeilen reagieren viele unglückliche Seelen und die romantische Ader
Jessicas. Die Karten im Liebesreigen werden neu gemischt.
Gelangweilte Bisexuelle trifft auf straighte Heterosexuelle. Was Lesben
zum Weinen bringt, soll das Publikum amüsieren. Ein Film, der vermeintlich
wenig politisch korrekt daher kommt und trotzdem keinem so richtig wehtut.
Weil sie am Ende alle in den richtigen Bettchen liegen und von den gewohnten
Tellern essen.
Ganz leicht macht Kissing Jessica es seinen Zuschauern
aber doch nicht. Wenn zwei Frauen aufeinander treffen und zu neuen Ufern
aufbrechen wollen, was tun sie? Sie reden über das, was sie verbindet:
Das sexuell attraktive Männer meist hässlich sind. Sie machen sich
Komplimente über ihre Schuhe und das tolle Outfit. Führen minutenlang
eine Konversation über die richtige Mischung für den unwerfenden
Lippenstift. Aber Helen hat es in erotischer Hinsicht schwer mit Jessica.
Lässt diese sich von Rendezvous zu Rendezvous wohl immer leidenschaftlicher
küssen, aber zum Austausch von Körperflüssigkeiten oder gar
zur Berührung der Brüste kommt es auf Grund von Verklemmtheit nicht.
Erst eine unfreiwillig Übernachtung im Kinderzimmer von Jessica führt
zum Vollzug. Helen und Jessica werden ein Paar. Die Öffentlichkeit bleibt
trotzdem ausgesperrt. Emotionale Verletzungen und eine überraschend
verständnisvolle Mutter ebnen den Weg zum Coming Out des
gleichgeschlechtlichen Liebespaares bei der Hochzeit von Jessicas Bruder.
Das kann nicht gut gehen, nicht im amerikanischen Kino und erst recht
nicht, wenn man die Karten so mischt, dass die eine den Kuschelsex nicht
will, den die andere ausschließlich bieten kann, da sie eigentlich
nur eine echte Freundin sucht. Am Ende lebt die hippe Galeristin ihre lesbische
Neigung aus, und die straighte Hetero-Frau kündigt den Job, um beim
Malen zu sich zu finden. Und vielleicht zu Josh.
Um auf Alanis zurückzukommen und Ally McBeal zu
vernachlässigen: I figure i can describe it since i have a choice
in the matter. Es geht nicht um eine Wahl, es geht um Männer,
und es ist das Thema, das langweilt. Da helfen auch nicht die vielen hoch
geistigen Zitate, angefangen von Rilke bis zu Anais Nin (Wir sehen
die Welt nicht, wie sie ist, sondern wie wir sind). Der Rahmen über
die weibliche Erlebniswelt ist gespannt, und er ist unendlich eng. Wo Frauen
immer nur an das Eine denken, und Schneewittchen doch lieber am Tisch mit
den Zwergen sitzt, bleibt dieser amerikanischer Film, der die Seiten wechseln
und niemanden in eine Schublade stecken will, behäbig und konventionell.
Wenn Jennifer ihrem Ex Josh auf einem Dach in New York unterm Sternenhimmel
eröffnet, dass sie so with mit Helen ist, wie er es sich
nicht vorstellen kann, bleibt die Szene durch den späteren Handlungsverlauf
schwach. Der Film traut sich nicht, zwei Frauen in ihr Liebesglück zu
entlassen. Er schwingt die Keule der Heterosexualität, trennt Helen
von Jennifer und entlässt die eine in ewiger Freundschaft verbunden
und mit neuen Gespielinnen, umgibt die Hauptperson, Jennifer, mit Autonomie
und lässt sie doch wieder auf den Zwerg treffen, der ohne Zweifel ein
sympathischer, gereifter Buchautor ist. Ach, wenn die Geschichten um Frauen,
die andere Wege gehen, immer so restaurativ ausgehen, sollte sich ein Meer
von Tränen ergießen, in dem alle Drehbuchautoren und Produzenten
elendig ertrinken.
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