Jump Cut Theaterfilme
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Magazin für Film & Kritik

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Theaterfilme 8: Sein oder Nichtsein (Mel Brooks, USA 1983)
 
Von Stefanie Diekmann
  
 

 
Ein unerfreulicher Film, und das ist noch zurückhaltend formuliert. Das Verhältnis, das Mel Brooks' Sein oder Nichtsein zu der berühmten Vorlage von 1942 unterhält, ist weder eines der Nachahmung noch eines der Überbietung, sondern eine Mischung von beidem: in manchen Momenten sklavische Kopie, in anderen (den meisten) bemüht, witziger, spannender, mit einem Wort: besser zu sein als das Original, was insgesamt 106 Minuten in Anspruch nimmt und nicht eine einzige lang unterhaltsam ist.

Besser sein wollen und es (den Plot, die Story, überhaupt: die Sache) schlechter machen. In den Diskursen über das Remake gehört dies zu den Konzeptionen, die sich am hartnäckigsten behaupten, oft zu Unrecht und ebenso oft zu Recht und manchmal, wie eben im Fall von Sein oder Nichtsein, gestützt durch Anschauungsmaterial, das, Bild für Bild, vor Augen führt, daß sich unter Umständen auch viel Aufwand treiben lässt, um aus einer gelungenen Szene eine schlechte zu machen. Alles, was man dem Remake gemeinhin vorwirft, ist in diesem Film zu finden: die Tendenz zur Simplifizierung von Konstellationen und Abläufen; die Vergröberung von Figuren oder Konflikten; das Nicht-gut-sein-lassen-Können, das Immer-noch-verdeutlichen-Wollen, die überflüssigen Zusätze, die unglücklichen Streichungen, eine Beziehung des zu nah / zu fern, die jede Emanzipation von der Vorlage ausschließt und zugleich verlangt, daß an dieser unausgesetzt herumgedoktert wird.

Jozef Tura ist der Star der Truppe, er ist eitel und er will Hamlet spielen: Im Film von 1942 ist dies eine der wenigen Konstanten in einem Reigen der immer rasanteren Permutationen. Bei Brooks agiert Jozef Tura nicht nur als Star der Truppe, sondern auch als ihr Regisseur und Prinzipal, und was er am liebsten auf dem Spielplan sieht, ist nicht das Stück von Shakespeare, sondern ein Potpourri, das (haha!) den Titel trägt: "Die besten Szenen aus Hamlet". Lubitsch wird Tura, der so gerne den Hamlet spielt, dieses Vergnügen nur am Anfang und Ende des Films gewähren; dazwischen gibt der Schauspieler mal den infamen Professor Siletski, mal den Gestapoführer Ehrhardt und immer wieder auch den eifersüchtigen Ehemann, was ihn bei der Darstellung der beiden anderen Figuren gelegentlich etwas aus dem Konzept bringt. Mel Brooks, der die Figur Jozef Tura praktischerweise gleich mit sich selbst besetzt hat, läßt diesen nicht nur in allen drei Rollen aus der Vorlage auftreten (Hamlet, Siletski, Ehrhardt), sondern auch (hoho!) als Adolf Hitler, genauer: in der Rolle jenes Schauspielers, der für einen kurzen, aber entscheidenden Augenblick Hitler mimen muß, was in der Version von 1942 noch dem kleinen Charakterspieler Bronski vorbehalten ist, dessen Namen der Regisseur des Remakes ebenfalls appropriiert.

Er, Brooks, schafft sie alle - Tura, Hamlet, Siletski, Erhardt, dazu Bronski und Hitler -, und er will zeigen, was in dem alten Film steckt, der doch eigentlich ganz gut funktioniert, aus manchen Szenen indes nicht ganz herausgeholt zu haben scheint, was Brooks in diesen angelegt sieht. Lubitschs Sein oder Nichtsein ist ein Uhrwerk, Ergebnis einer unvergleichlichen Ökonomie, die für Akteure, Auftritte, Wortwechsel, etc. gerade so viel Zeit einräumt, wie erforderlich ist, um sie als Versatzstücke zur weiteren Verwendung zu etablieren. Das Remake von Brooks eine Nummernrevue, in der für Ökonomien wenig Platz ist, und die deshalb mehr und mehr an Tempo verliert, bis kaum mehr übrig ist als Klamauk und ein paar Restbestände des alten Szenarios.

Restbestände oder auch: Lieblingsmomente. Eine Geste, ein Augenaufschlag, die spezifische Intonation einer Frage, eine Gestalt, die im Hntergrund vorbeiläuft, oder ein Satz, der vor dem Abgang einer Figur durch eine winzige Drehung des Kopfes eingeleitet wird. Neben den Verschlimm-besserungen, aus denen der Film von 1983 im wesentlichen zusammengesetzt ist, enthält der zweite Sein oder Nichtsein auch ein paar Augenblicke, die ganz und gar der exakten Reproduktion gewidmet sind - ein wenig fetischistisch, ein wenig idolatrisch und ins Spektakel der angestrengten Überbietung eingestreut wie eine Serie von Vignetten. In solchen Momenten verwandelt sich das Remake wirklich in ein Duplikat des Originals, oder besser: der eine Film in ein Museum des anderen. Die Stimmübungen des Schauspielers Ravic vor seinem Auftritt als Claudius. Das Lächeln Anna Bronskis bei der ersten Begegnung mit Siletski. Der Augenaufschlag Turas/Bronskis, nachdem er in Verkleidung zurückgekehrt ist. Die Miene des Gruppenführers, als er erkennt, daß er einen falschen Bart in seiner Hand hält. Mel Brooks muß Lubitschs Film gut gekannt haben, um diese Miniaturen in seine eigene Version zu integrieren, mehr noch: er muß ihn geliebt haben, bestimmte Einstellungen ganz besonders, und es sind die Zeugnisse dieser etwas obsessiven Liebe, die seine ansonsten belanglose Adaption für einen Augenblick zum Schillern bringen.

 


 

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