Patrice Chéreau: Son Frère (F 2003)

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Patrice Chéreau: Son Frère (F 2003)
Kritik von Ekkehard Knörer

 [Image]

Berlinale-Kritik

"Intimacy", Patrice Chereaus Berlinale-Gewinner von 2001, war ein Film über die Nähe, die entsteht, wenn zwei wildfremde Menschen außerhalb aller gesellschaftlicher Bindungen im Sex, also über ihre Körper zueinander finden. Mit "Son Frere" setzt Chereau seinen Erkundungen über menschliche Körper und menschliche Bindungen fort - und radikalisiert sie. Es geht diesmal nicht um Sex und nicht um Fremde, sondern um das noch viel intimere Verhältnis zwischen den zwei einander lange entfremdeten Brüdern Luc (Eric Caravaca) und Thomas (Bruno Todeschini), die durch die Krankheit des einen zu einer ihnen zuvor ganz unbekannten Nähe finden.

Thomas' Körper ist buchstäblich von der Auflösung bedroht. Seine Blutplättchen verschwinden, aus Gründen, nach denen die Ärzte suchen, die sie aber nicht finden. Diese Krankheit ist mit Bedacht gewählt: die Blutplättchen sind für die Abdichtung des Körpers nach außen zuständig, sie verhindern das Ausbluten, indem sie an den Bruch- und Schnittstellen einen Damm errichten, einen Schutzwall. Sie sind der letzte Halt des Individuums, indem sie seine Außengrenzen sichern. Dieser Schutz bricht für Thomas zusammen, jede Blutung kann ihn töten. In seiner Not sucht er seinen Bruder auf, verspricht sich Halt von ihm und Hilfe.

Damit ist das grundlegende gesellschaftliche System zur Ordnung des Zusammenlebens ins Spiel gebracht, die Familie. Es ergeht den Brüdern aber wie Thomas' Körper: die Grenzen und Barrieren, die sie seit der Pubertät getrennt haben, lösen sich auf. Luc wird zur sorgenden Mutter, zum besten Freund, beinahe zum Liebhaber seines Bruders, ein Muster symbiotischer Fürsorge für den todkranken Thomas. Die Intimität, die entsteht, ist ungeheuer - viel ungeheurer als die, die der Sex in "Intimacy" herbeigeführt hat. Und sie ist nicht weniger eine Sache der Körper, der Bloßstellung des kranken Körpers und der Reduktion des Menschen in der Krankheit auf seine hinfällige Körperlichkeit.

Chereau inszeniert diese Annäherung sehr schlicht, mit viel Handkamera, den Blick immer auf die Gesichter der Brüder gerichtet - und, das ist die Hauptsache, niemals abwendend vom Elend der Versehrungen, die die Krankheit anrichtet - und sei es in den zunehmend verzweifelten Heilungsversuchen der Ärzte. Der Höhepunkt, fast zehn atemberaubende Minuten lang, ist die Vorbereitung auf eine Operation. Es geschieht nicht mehr als die Rasur von Thomas Achseln, seines Oberkörpers, der Schamhaare durch zwei ganz sachlich vorgehende Schwestern (das Geschlecht ist durch ein Tuch schamhaft verdeckt).

Der Blick der Kamera auf dieses Geschehen ist von faszinierender Selbstverständlichkeit, hat mit Voyeurismus nicht das mindeste zu tun. Es ist auch der Blick Lucs, der immer anwesend bleibt, wenig spricht, sich aufopfert als letzter Hüter seines Bruders. Den Grund benennt er selbst sehr schlicht: es ist nicht Liebe und nicht Pflichtbewusstsein. "Du hast mich um Hilfe gebeten, also helfe ich dir." Eine Selbstaufopferung, die nicht ohne Folgen bleiben wird, die ein Leben aus der Bahn wirft. Davon aber, von den Leben außerhalb dieser Beziehung, erfahren wir kaum etwas, nur Thomas' bald überforderte Freundin und Vincent, Lucs Liebhaber, kommen ins Spiel, Luc wird Vincent am Ende verlassen.

Erzählt ist "Son Frere" auf zwei Zeitebenen. Die Gegenwart ist der Aufenthalt der Brüder an einem Rückzugsort am Meer. Thomas hat alle Behandlungsversuche aufgegeben, bereitet sich auf den Tod vor. In Rückblenden erfährt man die Vorgeschichte, die Annäherung der beiden, dieser Teil spielt vor allem im Krankenhaus. Mit zwei Ausnahmen verzichtet Chereau auf den Einsatz von Musik - umso eindrucksvoller die entrückt wirkenden Szenen, die mit einem der wunderbar pathetischen Songs von Marianne Faithful unterlegt sind: Hier lösen sich die Grenzen in einem Traumbild endgültig auf, die Brüder scheinen eins fast bis zur Ununterscheidbarkeit für den Augenblick.

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