Bettina Bremme: Movie-mientos. Der lateinamerikanische Film: Streiflichter von unterwegs

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Daten zum Buch
Gebundene Ausgabe - 314 Seiten - Schmetterling V., Stg. Erscheinungsdatum: 2000ISBN: 3896576038
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Bettina Bremme
Movie-mientos
Der lateinamerikanische Film: Streiflichter von unterwegs.

Kritik von Dagmar Hotze
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Salsa, Samba, Buena Vista Social Club: das filmische Latin-Fever hat hierzulande in den vergangenen Jahren zahlreiche "Opfer" gefordert und es breitet sich unaufhaltsam weiter aus. Die Inkubationszeit war jedoch von langer Dauer, denn den Auftakt dazu lieferte in Europa Marcel Camus' 1959 entstandener Orfeu Negro, der den griechischen Mythos von Orpheus und Euridice auf das brasilianische Alltagsleben projizierte. Der unvergessliche Soundtrack von Luis Bonfa und Antonio Carlos Jobim zählt heute zu den Klassikern der Bossa Nova und ist sicherlich noch vielen Cineasten im Ohr. Wer erinnert sich nicht an das kubanische Kleinod Erdbeer und Schokolade (1993) von Tomas Gutierrez Alea oder Central do Brasil (1998) von Walter Salles, der auf internationalen Filmfestivals mit Preisen überhäuft wurde und die Zuschauerherzen im Flug eroberte. Wir europäischen Zuschauer bekommen jedoch nur einen verschwindend geringen Teil der lateinamerikanischen Kinoproduktionen zu sehen. Und diese Filme repräsentierten wiederum nur einen Teil des gesamten lateinamerikanischen Films. Was steckt also hinter diesen faszinierenden, vibrierenden Filmen aus der südlichen Hemisphäre des Globus?

Die Journalistin und Filmemacherin Bettina Bremme hat es sich zur Aufgabe gemacht, das lateinamerikanische Kino für uns „Daheimgebliebene" zu erkunden. Ihre Reise beginnt mit den rebellischen Anfängen des Cinema Novo in Brasilien und dem Nuevo Cine Latinoamericano, dem Pendant für die spanischsprachige Cinematografie Iberoamerikas. Zu Beginn der 60iger Jahre fallen die meisten Länder Südamerikas unter die Herrschaft von Militärs, die das kulturelle Leben der Menschen rigoros beschneiden. Als geographisch größtes Land des Kontinents, entwickelt sich in Brasilien eine Form der musischen Protestbewegung, die ihre Anfänge in der Musikszene, mit Sängern wie Joao Gilberto, Caetano Veloso und Maria Methania, nimmt. Die Leichtigkeit des Bossa Nova, mit seinen lyrischen Texten vom einfachen Leben der Menschen, der sowohl in Bars und Kneipen als auch auf öffentlichen Plätzen gespielt wird, verweigert sich jeder Vereinnahmung durch die Politik der Machthaber und wirkt dadurch erst recht subversiv. Die jungen brasilianischen Filmemacher, allen voran Glauber Roche, teilen die Begeisterung der Musiker und gehen ihrerseits mit der Kamera „raus auf die Straße". Andere Länder Lateinamerikas wie Argentinien, Chile und Kuba folgen ihrem Beispiel. Fortan sind es nicht mehr die Reichen und Schönen, die die Leinwände der Kinos in Besitz nehmen, sondern die Menschen von Nebenan in den großen Städten oder die Bauern und Viehhirten. Regisseure wie der wunderbare Fernando Birri, Patricio Guzmann und Fernando E. Solanas werfen einen sozialkritischen Blick auf die elende Wirklichkeit ihrer Landsleute und erhalten internationale Anerkennung.

Vor diesem Hintergrund widmet sich die Autorin dem komplexen Thema der divergenten Identitäten innerhalb der Kulturen; den noch deutlich vorhandenen Spuren kolonialer Herrschaft und nicht zuletzt der allgegenwärtigen Präsenz der indianischen Kultur. Dies gelingt ihr äußerst übersichtlich, da sie die Länder separiert voneinander behandelt, so dass sich für den Leser Vergleichsmöglichkeiten ergeben, anhand derer er die Entwicklungen nachvollziehen kann. So entsteht ein heterogenes Bild des lateinamerikanischen Kinos, das zeigt, wie kontrovers die Diskussion um die nationale (und eigene) Identität oftmals geführt wird (oder auch nicht). Dies wird besonders in den nachfolgenden Kapiteln „Zwischen Amnesie und hartnäckiger Erinnerung: Gescheiterte Utopien, Exil und Militärdiktaturen und Das Politische findet sich im Privaten besonders deutlich. Die Erfahrung des Exils teilen sehr viele Filmemacher. Da ihre Muttersprache Spanisch oder Portugiesisch jedoch eine Weltsprache ist, gelingt ihnen die Eingliederung in das Exilland verhältnismäßig schnell. Dies kann jedoch nicht über Dinge wie den Verlust der Heimat, der Freunde und Familie, den gescheiterten Utopien, Hoffnungen und den Verrat durch Kollegen und Nachbarn hinweghelfen. Dementsprechend sind diese Aspekte zentrale Bezugspunkte in vielen Filmen lateinamerikanischer Regisseure. Zum Teil erwacht ihr Engagement für Menschenrechte und Demokratie im Exil konsequenter und rigoroser.

Selbstverständlich finden sich auch im latein- und südamerikanischen Kino männliche und weibliche Stereotypen wieder. In der Tat dauert es einige Zeit, bis der ewige maskuline Macho und das feminine Opferlamm etwas ins Abseits der Leinwand rücken. Im Laufe der 70iger Jahre, als sich die Ideen der Frauenbewegung auch in Lateinamerika durchsetzen, zeichnet sich ein differenzierteres Bild der Geschlechterverhältnisse ab. Dies gelang besonders durch das Engagement von Frauen, die hinter der Kamera arbeiten, wie den Regisseurinnen Marta Rodriguez und Maria Luisa Bemberg. In den 80er und 90er Jahren erfolgt der Abgesang auf gesellschaftliche Utopien, wie Bettina Bremme zeigt, als die Macht des Medienmarktes auch in Lateinamerika deutlich zu spüren ist und alte, überwunden geglaubte Gesellschaftsbilder, in Film und Fernsehen wiederkehren lässt.

In der zweiten Hälfte des voluminösen Buches wendet sich Bettina Bremme dem kubanischen Kino, mit seinem Spagat zwischen „Havanna und Miami" und Brasiliens Film zwischen „wildem Kapitalismus und neuem Humanismus" zu. Sehr zum Vergnügen des Lesers (und zum Vorteil des Buches) wirkt dieses Buch nicht akademisch oder erkennbar als „Doktorarbeit", sondern überträgt die Lust der Autorin an ihrem Thema auf den Leser. Sie befindet sich fernab von jeder oberflächlichen tropicalismo-Stimmung, die so manchen „Kenner", nicht zuletzt durch den Erfolg von Buena Vista Social Club, gelockt haben möge. All jenen „Kennern" sei das vorletzte Kapitel Der fremde Blick auf Lateinamerika wärmstens ans Herz gelegt, indem sie den Gringos, Tupamaro-Guerillia-Groupies und Wo-liegt-eigentlich-Bolivien?-Experten den Spiegel vor Augen hält.

Dem engagierten Schmetterlings-Verlag, der mit seinen Publikationen ein Forum für Lateinamerika bietet, haben die Filminteressierten und Cineasten dieses überformatige, sehr informative Werk zu verdanken. Als einziger Nachtrag bliebe noch anzumerken, dass im Anhang leider keine Kurzbio- und Filmographie der genannten Regisseure aufgeführt ist, das diesen Band gänzlich zum Nachschlagewerk gemacht hätte. Ein geringes Manko jedoch.

So bleibt uns bleichgesichtigen Weíßnasen nur das Staunen, angesichts einer quirligen, maroden, vitalen, impulsiven, authentischen, am wirtschaftlichen Existenzminimum wuselnden Filmlandschaft, deren Filme wir hoffentlich in größerer Stückzahl auf unseren Leinwänden zu sehen bekommen (auch wenn es wahrscheinlich nur ein Traum bleibt).

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