Hiroshi Shimizu: Children of the Beehive  (Hachi no su no kodomotachi, Japan 1948)

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Hiroshi Shimizu: Children of the Beehive  (Hachi no su no kodomotachi, Japan 1948)
Kritik von Ekkehard Knörer

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Neorealismus, allegorisch. Ein Roadmovie, Nachkriegsjapan. Bewegung und Stillstand.

Shimizu ist berühmt für seine Kamerabewegungen. Hier aber ist das nur die halbe Wahrheit, die andere Hälfte ist die Komposition seiner statischen Bilder. Er staffelt den Raum, er räumt das Geschehen in den Hintergrund. Im Vordergrund Hosen auf einer Leine. Im Vordergrund Rohre. Kinder im Stillstand, Kinder in Bewegung. Am Ende die riesige Schar, die die Neuankömmlinge in Empfang nimmt. Am Anfang die Bettelkinder, die, eines nach dem anderen, sich dem Soldaten nähern. Die Bewegung selbst, mit unbewegter Kamera, auf der Ladefläche eines fahrenden Pickup-Truck. Die Kamera, die auf der Ladefläche steht, bewegt sich mit der Fahrt, mit der Straße, wird so, in der unbewegten Bewegung, eins mit den Kindern, dem Soldaten, der Fahrt. Ein Bewegungsbild.

Die narrative Konstruktion ist von großer Einfachheit. Eine Kinderschar, die erst bettelnd einem einbeinigen Mann zuarbeitet, dann zu dem aus dem Krieg zurückgekehrten, Arbeit suchenden Soldaten überläuft. Der einbeinige Mann, eine Frau, auch sie allein, der Soldat, die Kinder, unterwegs im kriegszerstörten Japan. Sie ziehen über die Straßen, sie wissen nicht wohin. Ein Junge, Toshibo, fährt mit der Frau davon, übers Meer, auf eine Insel, er hat sich davongestohlen, sie werden nie da ankommen, wo sie hinwollen. Die anderen Kinder sehen ihm nach, er liebt das Meer und wenn er es sieht, ruft er, immer wieder, die Hände als Trichter vor den Mund gelegt: "Mutter". Seine Mutter, erklärt einer, ist auf dem Meer umgekommen.

Die anderen Kinder ziehen weiter - und Toshibo wird zu ihnen zurückkehren -, sie unterbrechen die Reise und auf diese Momente der Unterbrechung lässt der Film sich ein wie auf die Reise. Er suspendiert für diese Momente die Suche und noch ihre Ziellosigkeit. Er inszeniert ein ganz und gar vorläufiges Angekommensein. Es werden Bäume gefällt und die Kamera fällt mit den Bäumen. Nein, das stimmt nicht ganz: Sie verwandelt sich, neugierig, zärtlich, der Bewegung der fallenden Bäume an. Nicht Mimesis, sondern Lust an dieser Bewegung im Wissen darum, dass die eigene Bewegung eine andere ist. Es geht nicht um die Konstruktion eines Effekts im Schnitt (man denke an Riefenstahls Turmspringer), sondern um eine, mit Barthes gesprochen, Lust am Text, der das Bild ist. Das Bild mit erhabener Langsamkeit fallender, sich im Fallen beinahe schüttelnder Bäume. Es wird dies gezeigt, als sollte es niemals aufhören.

Es geht, auf der in aller Unaufdringlichkeit vorhandenen allegorischen Ebene, um die Suche nach einem Vater, nach einer Mutter. Der böse Vater, der einbeinige, der später als Zuhälter arbeiten wird, mit künstlichem Bein, wird die Mutter, die wir auf die Insel fahren sahen, die wir wieder auftauchen sahen, die wir wieder Abschied nahmen sahen in einer atemberaubenden Szene, zur Prostituierten machen und der gute Vater, der Soldat, der die Kinder in seine Obhut nimmt, wird sie befreien. Er wird geschlagen werden und die Kamera zeigt es die Treppen hinab, das Geschehen nur knapp unterm Vorsprung eines die Leinwand nach oben verdeckenden Dachs noch sichtbar. Dann geraten beide, der gute und der böse Vater, aneinander, außerhalb des Bildes. Die Kamera verharrt, das Dach verdeckt den Blick, unten vor der Treppe die Kinder, die sehen, was wir nicht sehen, in einer Gruppenbewegung nach vorne, dann wieder zurück. Dann, nach einer kurzen Weile: Der Soldat kehrt zurück ins Bild, er hat gewonnen, er hat den bösen Vater besiegt. Erst jetzt der Schnitt, wieder eines der gestaffelt komponierten Bilder, der Zuhälter am Boden liegend, das künstliche Bein im Bildmittelgrund, abgetrennt, er klopft sich die Kleider aus, sprachlos, am Boden.

Inszenierung einer Wiederbegegnung, eines Abschieds. Aus dem Nichts, unvermutet, im verwüsteten Hiroshima, tauchen sie wieder auf, die Frau und der Junge Toshibo. Sie will nach Tokio, sie will nicht mit dem Soldaten und den Kindern weiterziehen, Toshibo soll Abschied nehmen. Die Kamera ist an einer Treppe postiert, Blick nach unten auf Toshibo, den der Soldat zurückführen will zu den anderen, Blick nach oben erst ins Nichts, in den Himmel, trümmergesäumt. Dann taucht sie auf in diesem Blick, der in einem Scharnier liegt, weder der seine noch der ihre ganz ist, beider Blick aber doch, ein Nicht-Abschied-Nehmen-Können, er eilt zurück nach oben, sie zieht sich zurück. Sie wird hinter den Trümmern verschwunden sein, erst wenn der Junge wieder weg ist, taucht sie auf, das zeigt die Kamera noch. Diese Trennung, in aller Einfachheit über die Bande der Kamera gespielt, dauert einige Minuten. Bewegung im Stillstand. Eine Großaufnahme des Gesichts der Frau. Sie sind selten, die Großaufnahmen, aber stets gerade richtig.

Toshibos Tod. Eine vielleicht zehnminütige Sequenz, für die das Kino erfunden wurde, nicht weniger. Eine Aushandlung zu Beginn zwischen Toshibo, der krank ist und einem anderen Jungen, der die warme Ziegenmilch trinken müsste, die für den Kranken bestimmt ist. Trag mich nach oben, auf die Spitze des Berges, ich möchte das Meer sehen, sagt Toshibo, und du kannst meine Milch trinken. Das ist der Deal. Der andere Junge packt sich Toshibo auf den Rücken und trägt ihn nach oben. Die Kamera stets in Bewegung, in gegen die Bewegung des Jungen verschobener Bewegung, folgt, mal von der Seite, mal von oben, mal aus der Halbdistanz, mal in Großaufnahmen, den Jungen. In Blicken aus größerer Ferne kommt die wellige Berglandschaft in den Blick, dann wieder nur der Junge und sein Kampf gegen den Abhang, den er hinaufwill, weiter und immer weiter. Er rutscht zurück, Toshibo als Last auf dem Rücken, und macht doch weiter. In der Dauer liegt eine Gnadenlosigkeit, denn die Anstrengung ist, oder wird, ungeheuer. Zugleich aber betont die Dauer dieser Bewegung die Entschlossenheit des Jungen, der Toshibo trägt und die über den geschlossenen Handel bald hinausgeht. Er wird nicht aufgeben. Auch seine Geschichte, es ist die einer Wandlung, wird erzählt. Als er dann auf dem Gipfel angekommen ist, das Meer ist in der Ferne zu sehen in strahlender Schönheit, wird es vergeblich gewesen sein: Toshibo ist tot. Er hat das Meer nicht mehr gesehen. Und doch nicht vergeblich, denn darunter liegt die Geschichte einer Erlösung, genau in dem Überschuss, den die Dauer zeigt, die Anstrengung, die Entschlossenheit, einer Erlösung aus den Banden des Kleinlichen.

Einer Erlösung, die in einem optimistischen Bild enden wird. Die verlorenen Kinder werden vom guten Vater zurückgeführt zur großen Gruppe der Kinder, sie werden aufgenommen, in der Gruppe verschmelzen. Sie sind zuhause, angekommen in der nach aller Zerstörung zu Hoffnung Anlass gebenden Zukunft Japans. Ein allegorisches Ende. Das Wunder: Es ist nichts falsch daran.

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