Science Fiction: Ursula K. Le Guin: Die Erzähler (The Telling, 1999)

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Ursula K. Le Guin: Die Erzähler: Heyne 2001


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REZENSION

Ursula K. Le Guin: Die Erzähler

(The Telling, 1999)

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Die Welt des Romans: eine Ökumene des bewohnten Universums, regiert weniger als vorsichtig gesteuert durch die Hainish, die in die Soziotope der Einzelplaneten optimierend einzugreifen versuchen. Man glaubt dabei, über alle desaströsen Kurzzeitfolgen dieser sanft demiurgischen Eingriffe hinweg, an die (vielleicht auch nur je zeitweilige) Perfektibilität im großen Zeitraum, man hofft, rest-aufklärerisch, auf die Einsicht, die dem am eigenen Leib erfahrenen Grauen folgt. Ein Glaube, eine Hoffnung, die sich aus der Weisheit der Äonen der Hainish-Gesellschaft speisen.

Im Zentrum von Die Erzähler: Die zwei zur Ökumene gehörigen Planeten Terra und Aka. Ersterer ist gerade erst über die Schreckenszeit einer fundamentalistisch religiösen Phase hinweg, die Terranerin Sutty, die durch einen Fundamentalisten-Anschlag ihre Freundin Pao verloren hat, wird im Auftrag der Ökumene nach Aka geschickt, wo geradezu spiegelverkehrte Zustände herrschen: an der Macht ist ein Fundamentalismus anderer, fortschrittsutopisch-wissenschaftsgläubiger Art. Die traditionelle Kultur von Aka ist in die Dörfer, in die Berge zurückgedrängt, wohin sich Sutty alsbald aufmacht.

Ursula Le Guin ist in all ihren Romanen von anderem Schlag als der technik- und wissenschaftsorientierte Zweig der Science Fiction. Ihr ganzes Interesse gilt dem Sozialen: den Regeln des Zusammenlebens, den Individuen und Ethnien in ihrer Vielfalt und Eigenart. Sie ist recht eigentlich eine Ethnologin imaginärer Gesellschaften. Über das Imaginäre, je gerade nicht im Vertrauten Lokalisierbare, nichtsdestoweniger vertraut Menschliche gelingen ihr die Verfremdungseffekte, die ihre Bücher ausmachen. Sie sind Utopien, die nahe am Bekannten siedeln, sie sind Parabeln, die sich jedoch niemals ganz zu Botschaften und eindeutigen Lektüren addieren und aufrunden lassen. Le Guins Erfindungskraft liegt im Detail, oftmals linguistischer Art, die Stärke ihrer Prosa liegt in ihrer abgewogenen Schlichtheit, die nicht auf Pathos setzt, sondern auf Sachlichkeit und Präzision.

Eine Gefahr liegt dabei stets nahe: dass ihre Gesellschaften, ihre Individuen ins allzu Allgemein-Menschliche überzogen werden, zur Allegorie ausdünnen, ihre schlagende Kraft im Universalen suchen und nicht im Spezifischen. Ganz entgeht sie der Gefahr im neuesten Buch nicht: zu thesenhaft tritt an manchen Stellen das Erzählen als Bindekraft der Gesellschaft auf, zu deutlich sind Charaktere – etwa der Monitor als Annäherungs- und Mittlerfigur – auf ihre allegorische Lesbarkeit hin durchsichtig. Gelegentlich überwiegt das Moment bloßer, fast transparenter, Verfremdung das des reizvoll Fremden, aber dennoch: falsche Töne gibt es kaum in Die Erzähler, man kann sich der Prosa und der Fantasie der Autorin als Reiseführer durch die fremde Welt von Aka ganz überlassen.Und selbst wo der Text bedenklich nahe an den Charakter von Botschaften gerät, geschieht das doch nie in Form allgemeiner Aussagen, sondern in Gestalt von Handlungen, verrätselten, ins Ambivalente geretteten oder rettbaren Figurenreden. Außerdem ist das, was womöglich an Einsichten abziehbar ist vom Erzählten, über das Erzählen, über den Hang des Menschen zum Fanatismus wie zum Aberglauben, über Liebe und Tod und Freundschaft, tatsächlich von einer ruhigen Weisheit, von einer abgeklärten Lebensklugheit, die es einem beinahe wieder legitim erscheinen lassen, einen Erzähltext ein wenig als Transportmittel zu missbrauchen.


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