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Federico Fellini und Rimini
Von Ulrike Mattern

Geburtsort Rimini

"Diese Nacht habe ich vom Hafen von Rimini geträumt - er öffnete sich einem aufbrausendem, grünem Meer, das bedrohlich wie eine bewegte Grassteppe erschien, auf die große, schwere Wolken zu Erde niederbrachen. Ich kehre nicht freiwillig nach Rimini zurück."*

Federico Fellinis Verhältnis zu seiner Geburtsstadt Rimini wird von vielen als ambivalent beschrieben. Als er 1920 an der italienischen Adriaküste geboren wurde, war der Tourismus, für den die Stadt international bekannt ist, den Kinderschuhen bereits entwachsen. Am 30. Juli 1843 hatte die erste Badeanstalt eröffnet. Heute reihen sich die Liegestühle am 15 Kilometer langen Strand wie flachgelegte Zinnsoldaten im hellen Sand aneinander. Über den bequemen Strandbetten öffnen sich kunterbunte Sonnenschirme im High-Tech-Zeitalter wie von Geisterhand - oder unter tatkräftiger Mithilfe einer der tief gebräunten, muskulösen Bademeister. Auf 1240 Hotels verteilt sich der Besucherstrom. Obgleich die Touristenzahlen an der Adriaküste seit Ende der 80er Jahre rückläufig sind, hat der Massentourismus Rimini weiterhin fest im Griff. "Rimini erinnert ein bisschen an Las Vegas", beschreibt Regisseur Luciano Ligabue, der 2002 den Film "Da zero a dieci" (2. Ausfahrt Rimini) an der Disco- und Strandmeile drehte, seinen Eindruck von der Stadt.

In den 30er und 40er Jahren, von denen Fellini zum Beispiel in seinen Filmen "Amacord" (1973) und "Roma" (1972) erzählt, war das Strandleben wenigen vorbehalten und weitaus exklusiver. In der 1908 eröffneten Luxusherberge Grand Hotel logierten die Reichen und Schönen dieser Epoche. Sie tanzten vielleicht wie die Haremsdamen aus "Amacord" auf der Gartenterrasse, verführten einen Ragazzo des Ortes mit Bettlaken zum Fensterln, mieteten wie der dünne, blasse Prinz, vor dem die kurvenreiche Kleinstadt-Beauty Gradisca verschämt ihr rotes Kostüm auszieht, gleich eine ganze Suite und genossen am Lido den Sonnenuntergang bei Musik und engem Tanz, dem traditionellen Liscio im Dreivierteltakt.

Rimini lebt heutzutage von solchen Legenden, und die Riminesi erzählen gern davon: vom jungen Federico, der durch den Gartenzaun vorm Grand Hotel lugte und den Gäste bei ihrem Defilee auf der Terrasse zusah. Die Palmen sollen damals bis zum fünften Stock des noblen Etablissements gereicht haben. So sah man von der Parkseite aus nur einen Teil der prachtvollen Jugendstilfassade. Fellini kehrte mit dem Oscar in der Tasche in seine Heimatstadt zurück, besuchte seine Familie und quartierte sich in seinem Traumhotel von einst ein. Verlangt man die Suite 315, bettet man sich heute dort, wo der Meister erneut - dieses Mal vom Fenster aus - den gut betuchten Gästen zuschaute. Er soll sehr neugierig gewesen sein, belauschte gern in der Lobby die Telefongespräche an der Rezeption. Das Grand Hotel hat sich seinen angestaubten Charme bewahrt, blieb seltsam unberührt vom Massenstrom der Reisenden, die ab den 50ern unter der Sonne Italiens brutzelten. Schwer duftender Jasmin fällt in Kaskaden von den Mauern, die Blüten des Oleanders neigen sich wie rotweiße Trauben gen Boden, und im gepflegten Garten ist ganz beiläufig moderne Kunst verteilt. Zum 10. Todestag des Regisseurs, der das Hotel auf seinen Zeichnungen verewigte, kreierte man im letzten Jahr den "Fellini-Cocktail", eine erfrischende Mischung aus allerlei Zitrusfrüchten, rot gefärbt von Erdbeersirup und alkoholhaltig gewärmt.

Der Park vor dem Hotel trägt jetzt den Namen des berühmtesten Sohnes der Stadt wie übrigens auch der nahe gelegene Flughafen, dessen Logo die Silhouette des Meisters im Profil ziert, mit schwarzem Hut und Mantel, über den ein roter Schal drapiert ist. Eine seiner Karikaturen, auf der Fellini die Unterlippe schürzt, die schwarze Augenbraue hochzieht und dem Betrachter einen skeptischen Blick zuwirft. Bezüglich seiner Inanspruchnahme durch den Fremdenverkehr wird er folgendermaßen zitiert: "Ich habe den Eindruck, zu einem Objekt des Tourismus geworden zu sein, dagegen lehne ich mich auf."**

Auf den Spuren von Fellini im heutigen Rimini stößt man aller Orten auf szenische Fragmente aus seinen Filmen, die Erinnerungen an seine Kindheit an der Adriaküste sind. Vor Ort drehte er nicht, sondern ließ alles in den legendären Filmstudios von Cinecittà in Rom rekonstruieren. In den Schaukästen des Kinos "Fulgor" am Corso Augusto 162, eröffnet am 5. November 1914, hängen Ende Juni dieses Jahres Filmplakate von "Agata e la Tempesta" von dem italienischen Regisseur Silvio Soldini und eine Ankündigung für "In my Country" mit Juliette Binoche. In den 30er Jahren hingen die Zeichnungen von Federico Fellini in diesen Vitrinen. Als Gegenwert lockte der freie Kinoeintritt. Gegenwärtig sieht das neoklassizistische Gebäude mit seiner hellgrauen Fassade, einem breiten Balkon aus Stein und dekorativen Jugendstil-Elementen etwas ramponiert aus. Die Gemeinde lässt das älteste Kino von Rimini gerade restaurieren.

Nur wenige Schritte von hier entfernt befindet sich die Piazza Cavour mit ihrem aus vielen schmalen Rohren Wasser speienden Brunnen, der in "Amacord" auftaucht. Wie auch die Piazza Tre Martiri, dessen beschädigte Statue von Julius Cäsar am Anfang von "Roma" zu sehen und Ziel des Spottes ist. "Die Würfel sind gefallen", diesen viel zitierten Satz soll der Feldherr nahe Rimini, beim Überqueren des Rubikon, ausgesprochen haben. Eine Schulklasse folgt in dem Film ihrem Lehrer, der die Schuhe auszieht, um den Fluss Richtung Rom zu überqueren. 340 Kilometer trennen Cäsar und die Provinzler von der Hauptstadt. Ein Kilometerstein am Beginn von "Roma" lässt keinen Zweifel, wo der Weg des Films hinführen sollte - und der des Regisseurs, der 1938, gerade 18-jährig Rimini verließ und in Rom sein Glück versuchte.

Aber bleiben wir doch in Rimini. Im Sommer sind die Tage lang und am längsten Tag des Jahres, dem 21. Juni, feiern die Riminesi das Fest der "Gradisca" am Lungomare. Auf den Plakaten und Broschüren, die für diese Veranstaltungen mit Musik, Tanz und guter Küche werben, ist der durchtrainierte Körper einer abgespeckten, erblondeten Version der wohl proportionierten Landpomeranze aus dem Film "Amacord" zu sehen. Im Gegensatz zu der fülligen Signora der 30er Jahre mit ihrem ausladenden Gesäß trägt die stromlinienförmige moderne Version reichlich wenig Stoff am Leib.

Das wäre kein Frauentyp für den Regisseur gewesen. Davon zeugen seine Filme und die bis zum 29. August im Fellini-Museum in der Via Clementini 2** statt findende Ausstellung "Il cinema di carta. L'eredità di Fellini in mostra". Die Skizzen und Karikaturen bilden Figuren ab, die später in den Filmen Fellinis umgesetzt wurden, Entwürfe für Filmszenen und Kostüme. Das Plakat ziert ein Porträt von Anita Ekberg in ihrer Rolle der Silvia für den Film "La dolce vita" - ein Gegenentwurf zur abgemagerten Gradisca auf dem aktuellen Rimini-Plakat. Der voluminöse Busen der Ekberg wird kaum bedeckt von einem blauem Kleid, die Haare umschließen das angedeutete Gesicht und den fülligen Oberkörper wie ein blonder Schweif. Einigen der 50 Zeichnungen werden die Plakate zu den Filmen gegenübergestellt: zum Beispiel die skizzierte Figur der kleinen Gelsomina aus "La Strada" oder der Pfau aus "Amacord".

An die Bleistiftzeichnung des Schiffsbugs von dem Ozeandampfer Rex aus "Amacord" erinnert das Denkmal für Fellini auf dem Friedhof außerhalb der Altstadt. Fellini starb am 31. Oktober 1993, wurde in den Filmstudios von Cinecittà, seiner gewählten Heimat, aufgebahrt und in seiner Geburtsstadt Rimini begraben. Direkt hinter dem Eingang zum Friedhof steht das von Arnaldo Pomodoro kreierte Denkmal für die Familie Fellini. Wie ein gold glänzendes Dreieck rammt sich der in der Mitte gespaltene Schiffsbug in ein rechteckiges, schmales Wasserbassin auf der Erde. Zwei rote Nelken liegen in der breiten Spalte. Auf einer Grabtafel, neben der Vasen mit künstlichen Rosen stehen, sind außer dem Geburts- und Todestag des Regisseurs und seiner Frau, Giulietta Masina, auch die des einzigen Kindes vermerkt. Pierfederico wurde 1945 geboren und lebte nur wenige Tage. Der Bug des Schiffes teilt die drei Elemente Erde, Wasser und Luft, strebt in Sphären, die über den Tod hinausgehen.

Auf den italienischen Friedhöfen mit ihren prächtigen Grabmälern kommt selten Trauer auf. Das ist auch in Rimini so. Die ovalen Bilder auf den Stein- oder Marmorplatten der Gräber zeigen die Toten als Lebende in ihren besten Momenten: Porträtaufnahmen in Schwarz-Weiß, in Sonntagskleidung und mit glatt gekämmtem Haar.

"Ich kehre nicht freiwillig nach Rimini zurück", schrieb Fellini in seinem Buch "La mia Rimini" 1967. Zwei Bewohner des Borgo östlich der Ponte Tiberia, Ennio Carando und Dino Spadoni, haben - wie viele andere Weggenossen - die Bescheidenheit Fellinis gerühmt, aber auch diskret angedeutet, wie verschlossen und schüchtern der Regisseur im Umgang mit Fremden und Freunden war. "Er hat Rimini auf seine Weise geliebt." In seinen Filmen verlieh der Regisseur dem eine Form. Das, was man auf den Spuren von Fellini in Rimini vor Ort wieder findet, bleibt ein fragmentarischer Abglanz dessen, was sich die Zurückgebliebenen bewahren.

*Federico Fellini: "La mia Rimini". Bologna 1967

**Michael Töteberg: Fellini. Rowohlts Monographie, Reinbek bei Hamburg 1989, S. 88

**Di bis Fr 16 bis 19 Uhr; Sa und So 10-12/16-19 Uhr; Montags geschlossen. Eintritt frei. www.federicofellini.it

Anmerkung: Die Reise kam mit freundlicher Unterstützung des Italienischen Fremdenverkehrsamtes (ENIT; Tel.: 0080000/482542 ) sowie der Fluggesellschaft Germania Express (Gexx) zu Stande.

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