„Träume mit offenen Augen“ - Filmfest München vom 28. Juni bis 5. Juli

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„Träume mit offenen Augen“ -
Filmfest München vom 28. Juni bis 5. Juli

 

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„Träume mit offenen Augen“ -
Filmfest München vom 28. Juni bis 5. Juli

Von Ulrike Mattern

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Der Segen der Preise

Tag für Tag ergießt sich der Segen der Preise über einen der vorgestellten Filme. Geraldine Chaplin bekam den ihren (CineMerit Award) gleich zu Beginn überreicht. Der VFF TV Movie Award für den besten deutschen Fernsehfilm ging an den Produzenten von „Das Duo: Der Liebhaber“. Wer will das wissen außer den Beteiligten? Das Füllhorn arbeitet weiter.

Als akkreditierte Journalistin entnimmt man die Preisangaben den Pressemitteilungen. Die Festivalleitung formuliert bezüglich der Einladung zu den Feierlichkeiten höflich: „Preisverleihungen (...) sind begehrte Festival-Events. Gern würden wir Sie alle dabei haben. Aus Kapazitätsgründen ist das leider nicht möglich.“ Wenn diese ganzen Empfänge gar nicht stattfänden, die Preise gar nicht vergeben würden, alles inszeniert wäre?

Das Gen für den deutschen Film

Dass sich das authentisches Erleben nicht beim Sektempfang mit Schnittchen einstellt, zeigen die Pressevorführungen. Das Gen für die euphorische Aufnahme eines deutschen Films muss in meinem Fall nicht vererbt worden sein. „Liegen lernen“ von Regisseur Hendrik Handloegten langweilte mich und begeisterte (fast) alle im überfüllten Kinosaal. Helmut liebt Britta, engagierte Schülersprecherin in einer Kleinstadt im Ruhrgebiet. Die Eroberung des Schwarms erfolgt über die Mitarbeit in einer politischen Arbeitsgruppe. Helmut heuchelt Interesse für den Regenwald und Nato-Doppelbeschluss. Beim Kleben des Flugblatts funkt es. Doch Britta geht für ein Jahr in die USA. Der Kontakt bricht ab. Jahre später trauert der inzwischen 32-Jährige immer noch seiner ersten Liebe nach. Bindungsunfähig sozusagen. Die neue Freundin wird schwanger. Eine Entscheidung steht an. Da taucht Britta wieder im fernen Berlin auf. Der Mythos der ersten Liebe muss erst entzaubert werden, bis Helmut weiß, wo sein Platz ist. Ist das latent frauenfeindlich?

Ein ähnlich folkloristisches Umfeld für einen kleinen unsicheren Mann bilden die 80er Jahre in „Verschwende deine Jugend“ von Benjamin Quabeck. Harry, Azubi in der Sparkasse, ist im wahren Leben Musikmanager der unbekannten Münchner Band „Apollo Schwabing“. Mit einem Auftritt als Vorgruppe von DAF will er den Durchbruch schaffen. Allein DAF weiß nichts von dem Konzert. Man muss sich nur den Gesichtausdruck der Hauptdarsteller Robert Stadlober und Tom Schilling auf dem Filmplakat anschauen, um zu wissen, worum es in diesem Film geht. Ganz zu schweigen von den missionarisch geöffneten Armen der Bassistin Jessica Schwarz. Gruselig. Retro ist in. Aber auch verdammt harmlos, wenn es als Zeitkolorit farblose Geschichten dekoriert.

Die alten Italiener in München

Kurzfristig wurde eine italienische Reihe mit vier Filmen ins Programm genommen. „I Maestri italiani“ heißt sie wenig einfallsreich, da sie vier Altmeister des italienischen Kinos versammelt. Alt bezieht sich in diesem Fall sowohl auf das einige Zeit zurückliegende Geburtsjahr der Filmemacher als auch auf ihr Renomee in Europa: Pupi Avati, Ettore Scola, Michele Placido und Roberto Faenza. Auf letzteren trifft die Charakterisierung mit Einschränkung zu, aber im Zusammenhang mit Italien, Filmen und Männern klingt es immer gut, von Maestri zu sprechen. Um einen Querschnitt der aktuellen italienischen Filmproduktion handelt es sich nicht, ansonsten müsste man annehmen, dass Italien vergreise, sich historischen Themen widme und keine Regisseurinnen besäße.

Pupi Avati, ein Freund Berlusconis und seit Januar neuer Präsident der Holding Cinecittá in Rom, präsentierte nicht ohne Humor seinen neuen Film „Il cuore altrove“ über einen verklemmten 35-jährigen Lateinlehrer in Bologna, der sich hoffnungslos in eine blinde Schönheit verliebt. Wunderschön gefilmt, toll ausgestattet, emphatisch gespielt, besonders von dem Spielfilmdebütanten Neri Marcorè. Die Aussage von Avati, er würde seine Erfahrungen mit Frauen in diesem Film verarbeiten, vergisst man am besten sofort. Insbesondere die Theorie, die er vor dem Publikum verbreitete, dass die kleinen, hässlichen Jungen ohne Geld immer nur die kleinen, hässlichen Mädchen abkriegen. Triumph schwang in seiner Stimme, als er ungefragt mitteilte, dass er später eine der schönsten Frauen von Bologna geheiratet habe. Warum unattraktive Männer immer annehmen, dass ihnen die aparten Frauen zustehen? Vielleicht spielt das Gen für Selbstbewusstsein eine Rolle, das in der männlichen Linie vererbt wird.

Auf „Un viaggio chiamato amore“ von Michele Placido kann man getrost verzichten. Der Film über die leidenschaftliche Affäre einer der Ikonen der italienischen Frauenbewegung, der Poetin und Literatin Sibilla Aleramo, schildert ihre zweijährigen Bindung zum exzentrischen und offensichtlich geisteskranken Dichter Dino Campana (Stefano Accorsi). Das, was man nie über die Aleramo wissen wollte, erfährt man hier.

Ähnlich wahnsinnig - auf der körperlichen Ebenen - geht es in Roberto Faenzas „Soul Keeper“ zu. Er erzählt die spannende und zudem wahre Lebensgeschichte einer Patientin von C.G. Jung, die sich in ihren behandelnden Therapeuten verliebt und über Jahre eine Affäre mit dem verheirateten Mann hat. Später studiert sie selbst Psychologie und arbeitet in Moskau als Psychoanalytikerin mit Kindern. Sabina Spielrein wurde 1942 im Alter von 57 Jahren mit anderen Juden in der Moskauer Synagoge von den Nationalsozialisten erschossen. Auf dem Filmplakat wird die politische Geschichte auf die amouröse Eskapade reduziert: Es zeigt zwei ineinander verschlungene nackte Leiber auf dem Teppich.

In eine ähnliche Epoche führt Ettore Scolas „Concorrenza sleale“ über die Auswirkung der Rassengesetze im faschistischen Italien auf zwei Familien, eine jüdische, eine römisch-katholische, in einer Straße. Handwerklich gut gemacht, mit einem erstklassigen Ensemble und den üblichen herzerwärmenden Generationenkonflikten im Makrokosmos der Politik, die man seit „La Famiglia“ kennt und schätzt. Aber nicht unbedingt etwas Neues. Der Eindruck bleibt, dass das italienische Kino auf der sicheren Seite rudert, wenn es auf bewährte Erzähltraditionen zurückgreift. Meisterwerke mit restaurativer Tendenz - spiegelt diese Selektion italienischer Filme die gegenwärtige nationale (Kultur-)politik?

Die Frogs sind zurück

In der guten alten Zeit ließen sich Raumschiffe mit Bügeleisen lenken. An Wasserkränen drehten Männer, die Helden waren. Emanzi­pation stand in den Sternen, und der weibliche Teil der Besatzung sah einfach nur gut aus. Die Crew der „Raumpatrouille Orion“, der Mitte der 60er Jahre im Fernsehen ausgestrahlten Science-Fiction-Serie, feierte ihren „Rücksturz ins Kino“ auf dem Filmfest in München.

Dass das Weltall, in dem das Raumschiff kreiste, auf dem Studiogelände der Bavaria entstand, sah man der siebenteiligen Serie an, die vor der Mondlandung im Fernsehen lief. Statt auf moderne Technik setzten die Produzenten auf absurde Details, slapstickartige Dialoge und selbstironische Charaktere. In der 88 Minuten langen Kinoversion, die am 24. Juli bundesweit startet, hält Elke Heidenreich im Orion-Look als Moderatorin der „Sternenschau“ die intergalaktischen Fäden in der Hand. Commander Dietmar Schönherr pflegt einen Gesichtsausdruck, rettet nebenbei die Erde und bekommt am Schluss wieder das Mädchen, Leutnant Tamara alias Eva Pflug.

Dass deutsches Film- und Fernsehschaffen auch nach fast 40 Jahren nicht alt aussieht, belegt die Premiere des sich nicht so wichtig nehmenden intergalaktischen Kultfilms. Dagegen wirken einige Produktionen aus der Reihe „Made in Germany“ auf dem Filmfest in München vorzeitig vergreist.

Don’t look away

„Träume mit offenen Augen“ schmust das Motto des diesjährigen Filmfests mit dem Betrachter. Die echten Liebesgeschichten spielten in anderen Welten: in Indien, in Bangladesch, in Afghanistan. „Mr. & Mrs. Iyer“ von der „Gallionsfigur des feministischen Kino Indiens“, der Regisseurin Aparna Sen, thematisiert den Religions- und Kastenkonflikt in der gegen­wärtigen Gesellschaft. Eine verheiratete Hindu-Frau und ein muslimischer Fotograf geben vor, ein Ehepaar zu sein, um auf einer Busreise nach Kalkutta nicht von hinduistischen Extremisten bedroht zu werden. Der Film gleitet nie in süßliches Pathos ab, sondern erzählt die Annäherung des fremden Paares mit großer Sensibilität. Indem sie dem hilfsbereiten Fremden widerwillig ihren Familiennamen gibt, schützt die junge Frau ihn vor religiös motivierten Übergriffen während der Unruhen in einem ländlichen Bezirk.

Ich will dich hassen

Aus der Ferne Abschied nehmen. In dem türkischen Film „Distant“ fährt der Protagonist, wieder ein Fotograf, zum Flughafen, um die Abreise seiner Exfrau mit ihrem neuen Partner nach Kanada aus sicherem Abstand zu beobachten. In „The Lover“, einem Beitrag aus der Reihe Tributes für den russischen Schauspieler Oleg Janovskij erfährt der Ehemann nach dem plötzlichen Tod seiner Ehefrau, dass sie über Jahre einen Liebhaber hatte. Im Moment der Entdeckung des Betrugs, dem Auffinden eines Briefes an den Liebhaber im Nachlass, hört man nur das entsetzte, laute Atmen des Ehemanns Als er den Liebhaber findet, ihn verprügelt, stehen sich die beiden Männer gegenüber und ihre Gesichter, ihre Wangen scheinen sich wie im zärtlichen Aneinanderschmiegen zu berühren. Dagegen schlägt die Tochter ihrer Mutter in dem britischen Film „The Mother“ ein blaues Auge. Nach dem Tod des Vaters hatte diese eine Affäre mit dem Liebhaber der Tochter angefangen. Die Stille, den Abstand und die Verzweiflung über das Leben aushalten - dünnhäutig geworden verlässt man das Kino.

Die Liebe der Frauen

Die 80er waren Thema im deutschen Film. „Girls just wanna have fun“, ein Musiktitel von Cindy Lauper aus der gleichen Epoche führt in „Hysterical Blindness“, dem neuen Film der in Indien geborenen Regisseurin Mira Nair („Monsoon Wedding“) in die 80er Jahre in New Jersey zurück. Uma Thurman, Juliette Lewis und Gena Rowlands tragen die engen Jeans, die figurbetonenden Tops im Leoparden-Stil, die Leggins und die antoupierten Haare, als wären sie darin geboren. Die Suche nach einem Mann macht die eine Frau hysterisch blind für die Realität, die Warnungen der Freundin, die das Suchen aufgegeben hat, überhört sie, und der dritten Frau begegnet die wahre Liebe, die sie nur kurze Zeit genießen kann. Dass das Glück nicht auf der Wiese, aber vor der eigenen Haustür liegt, ist eine Erkenntnis, für die alle drei Frau einiges ertragen müssen. Ein Frauenfilm, in dem die hysterische Suche nach dem Mann fürs Leben beim Zusehen weh tut und das bittersüße Happy End wenig Linderung schafft.

Die romantischen Seiten des Lebens

Wie viel Romantik im Elend entstehen kann, zeigen zwei völlig unterschiedliche Filme: „Oasis“ vom koreanischen Regisseur Lee Chang-dong gewinnt den Preis für die ungewöhnlichste Paarbildung auf dem Festival: ein kleiner Gangster verliebt sich in eine körperbehinderte junge Frau. So respektvoll wie spannend erzählt. In „One on One“ lebt der schweigsame Macak mit seinem Großvater in einer heruntergekommenen Hochhaussiedlung in Belgrad. Der tristen Umgebung entflieht er beim Basketballspiel, das er hervorragend beherrscht. Als er sich das erste Mal in seinem Leben verliebt und die örtliche Mafia seine Freunde bedroht, greift Macak erst zum Baseballschläger und dann zur Pumpgun. Wie in einem Western lässt der serbische Regisseur Mladen Maticevic die Kontrahenten im Show­down aufeinander treffen. Gegendas Großstadtghetto in Belgrad wirkt „8Mile“ mit Eminem wie Disneyland.

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