Forum: William Kwok Wai Lun: Darkness Bride (Hongkong / Taiwan 2003)

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Berlinale 2004: Forum: William Kwok Wai Lun: Darkness Bride (Hongkong / Taiwan 2003)

OT: You Gou Regie: William Kwok Wai Lun Buch: William Kwok Wai Lun, Wing Wang Kamera: Wong Ping Hung Darsteller: Fang Jing (Qing Hua), Tang Lu (Yan Yan), Wu Jian (Chun Sheng), Gao Fei (Sissy)
 

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Forum: William Kwok Wai Lun: Darkness Bride (Hongkong / Taiwan 2003)
Von -MAERZ-
(Axel Estein)

  
 

William Kwok Wai-lun (geboren 1969 in Hong Kong, besitzt einen Abschluß in Theaterdesign von der Academy of Performing Arts in Hong Kong und hat ein Filmstudium an der School of Visual Art in New York abgeschlossenen) ist eines der jungen Arthouse-Schätzchen seiner Heimatstadt (besser gesagt einer relativ übersichtlichen Gruppe von Kritikern und Filmfestivalleuten dort). Nicht, dass er innerhalb der kantonesischen Filmindustrie irgendeine Rolle spielen würde; weder kommerziell noch ästhetisch geben seine Filme dort nennenswerte Impulse. Aber innerhalb der Filmkunstzirkel läuft es (egal wo) nun einmal nicht anders als überall anders auch: Beziehungen sind die halbe Miete, mindestens. Und so kann man auch mit Werken zweifelhafter Qualität gewissen überregionalen Erfolg verzeichnen, solange diese nur bestimmte Kriterien von Sperrigkeit und Unzugänglichkeit erfüllen.

Natürlich wäre es eine Unterstellung (zumindest eine nur schwer belegbare) zu behaupten, Kwok würde sich bewusst nach entsprechenden Regeln verhalten. Die Muster zumindest sind ähnlich. Sind andererseits auch durch die Mechanismen des internationalen Festivalzirkus' bedingt. Wenn, wie in Kwoks Fall, Filme von Nachwuchskünstlern auf den großen asiatischen Filmfestivals wie Busan, Hong Kong, Tokio oder Singapore gezeigt werden, laufen sie fast automatisch auch auf den noch gößeren Festivals im Westen. Dafür sorgen schon die immer gleichen Programmgestalter, deren Job es ist, auf jedem wichtigen Festival präsent zu sein und sich untereinander zu kennen und das zu zeigen, was die anderen auch gezeigt haben. Schließlich dokumentiert man damit, dass man auf dem Laufenden ist.

Auf Digital-Beta gedreht und auf 35mm aufgeblasen, ist der gerne auf internationalen Filmfestivals gespielte DARKNESS BRIDE (HK/Taiwan, 2003), zu dem Kwok auch zusammen mit Wing Wang das Drehbuch geschrieben und den er mit Lam Ching koproduziert hat, sein erster Film, der auch im westlichen Ausland verliehen wird. Zwar spielt dieses Low-Budget-Arthouse-Drama im Nordosten Chinas, finanziert wird es aber von der HKer Filmsars Production und der taiwanesischen Arc Light Films (die auch den Weltvertrieb übernimmt).

Ausgangspunkt dieser spröden Emanzipationsgeschichte ist das Schicksal eines namenlosen Mädchens. An der Schwelle zum Frausein hat es sich einst von einem lächerlich niedrigen Steinhaufen in den Tod gestürzt, um nicht Unholden seine Jungfräulichkeit preisgeben zu müssen. In seiner Heimatgegend wird der Geist dieses bemerkenswerten Akts trotzig-verzweifelter Selbstbestimmung in Legenden lebendig gehalten. Aber vielleicht geht auch das Phantom der Unglücklichen noch um. Ganz sicher noch lebendig sind in diesem abgelegenen Landstrich, wo es natürlich keine feudalen Machtstrukturen mehr gibt, wo die Zeit aber stehengeblieben zu sein scheint, wo man trotz jahrzehntelanger kommunistischer Herrschaft noch nach geradezu archaischen Maßstäben denkt und lebt, noch immer Trümmer altertümlicher Traditionen aus vorrevolutionärer Zeit, die das Zusammenleben regeln.

So oder so kann hier niemand auf das Selbstbestimmungsrecht pochen - schon gar nicht frühverblichene Mädchen. Mit deren sterblichen Hüllen wird ein verbotener, doch schwunghafter Handel getrieben, um sie, rausgewühlt aus ihren Ruhestätten und postum vermählt, toten Junggesellen, die man so im Jenseits nachträglich mit einem dienstbaren Eheweib versieht, in ein neues Grab zu legen. Eine Art gleichzeitig animistisch wie feudalistisch geprägter, umgekehrter Cargo-Kult. Das Problem ist, dass auch diese Kultur längst schon in der Moderne angekommen ist und sich durch die Ungleichzeitigkeit der Verhältnisse von innen heraus selbst zersetzt.
 


 

Seltsam entwurzelt und richtungslos alles. Wo die Protagonisten von DARKNESS BRIDE, der durch seinen Land/Stadt-Kontrast glatt in zwei Hälften zerfällt (die auch unabhängig voneinander existieren könnten), sich aufhalten, kann das Dasein nur als Strafe aufgefaßt werden. China als Vorhölle: trist, kahl, kalt, freudlos, unwirtlich und zwangsbehaust, farbentsaugt. Vermittelt durch milchig trübe, lichtlose Scheißästhetik (Videomaterial, umkopiert, ist genau das Richtige). Kameramann Wong Ping-hung filmt seine scheinluziden, eigentlich nahezu intransparenten Bilder unter einer ghulisch weggefressenen, bemerkenswert lichtschlaffen Subraumbeleuchtung (und das, obwohl eines der bestimmenden ästhetischen Merkmale, die schundige Elendigkeit einer Situationen zu unterstreichen, immer wieder die offen im Raum hängende Glühbirne ist). Graubrauner Schmierschmutz klebt über Raum und Zeit.

Eine grenzdebile, halb wahnsinnige Welt am Abgrund: verstörend, ohne Sinn und Zweck, wie Alpträume von Verrückten. Die Stadt nicht anders als das Land: namenlos. Apokalyptisch beide auf ihre Weise. Selten läßt Kwok mehr zu als Enge, Ausschnitte, denen Perspektive fehlt. Am weitesten öffnet sich das Bild beim Blick über eine entstrukturiert-öde, randurbane Wüstenei, die von einem Spalier mächtiger Kühltürme beherrscht wird. Doch selbst deren schiere Masse und architektonische Gewalt vermag das Chaos nicht zu bannen. Das Grauen der unkontrollierten Industrialisierung.

Man sollte sich das so vorstellen: als (selbstverständlich arthousemäßige hyperkorrekt verdauungsvertärktes, also produktionsideologisch unbedenkliches) visuelles Äquivalent einer gleichteilig grausamen Mischung aus früh70er Artrock (z.B. Xylophon-Soli-Distortion zu gregorianischen Chorgesängen) und spät80er EBM-Absturz-Deprowave (unter Katakombenhall aus dem Off geraunte, postexistentialistische Dooms-Day-Tiraden). Das gibt vielleicht eine gewisse Ahnung von DARKNESS BRIDE. Ein abweisender, anstrengender Film, den keiner braucht, dem man seine mühevolle Konstruktion ansieht: Unter einer korkigen Schwarte unansehnlicher, diffus lehmig-brackiger Lichtschwaden verweigern sich Dinge und Zusammenhänge.

Diffus und unkonkret bleiben auch Kwoks Anliegen. Wirrer, schwer zugänglicher Symbolismus, prätentiöses Kunstkino, das sich redlich den Ruf des Unerträglichen verdient. Mögen Kwoks ursprünglichen Absichten zu diesem Film bemerkenswerten Empfindungen und Gedanken entsprungen sein, so fehlt ihm doch offensichtlich das Talent (oder noch die [erzähl]technischen Mittel), dies in Spielfilmform zu kommunizieren. Vielleicht hätte er lieber ein ethnografische Dokumentation über die Sitten, Gebräuche und Lebensverhältnisse des abgelegenen Landstrichs, in dem die erste Hälft von DARKNESS BRIDE spielt, drehen sollen.

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