Hans Weingartner, Toby Amann: Das weiße Rauschen (D 2002)

.

Jump Cut Filmkritik
__________________
Magazin für Film & Kritik:
Rezensionen und News.

Impressum

 

 


.

Videos bei Amazon
Videos & DVDs bei Amazon

Hans Weingartner, Toby Amann: Das weiße Rauschen

D 2002

Regie: Hans Weingartner, Toby Amann

Mit Daniel Brühl, Anabelle Lachatte

Schwesterseiten

Auteur.de - Lexikon der Regisseure
Comix-Corner - die Comic-Website
Crime-Corner - die Krimi-Website
Literatur-Corner - die Seite für Literaturkritik
SciFi-Corner - die Science-Fiction- Website

Theater-Corner - die Theater-Seite
.

Archiv

Filmkritik
Filmbuchkritik
Filmklassiker
Alle alten Kritiken in der Übersicht
.

Interaktiv

Forum
Diskutieren Sie über Filme und/oder unsere Kritiken!

Mail
Was immer Ihnen an uns passt oder nicht passt.

.

Hans Weingartner, Toby Amann: Das weiße Rauschen
Kritik von Sascha Rettig

 Das weiße Rauschen

Sie begleiten ihn überall hin. Sie sind da, wenn er in seinem Bett liegt, wenn er zur Toilette geht oder zur Arbeit. Das Gewirr von Stimmen kriegt Lukas (Daniel Brühl aus Nichts bereuen) einfach nicht aus seinem Kopf. Deshalb ist er auf der Suche nach dem weißen Rauschen in dem gleichnamigen, beeindruckenden Regiedebüt von Hans Weingartner.

Lukas ist der junge Mann, der mit großen, staunenden Augen aus der Provinz in die große Stadt kommt und hofft: Jetzt geht das Leben los. Er zieht in die WG mit seiner Schwester Katie (Anabelle Lachatte) und ihrem Freizeit-Kiffer-Freund Jochen (Patrick Joswig), will Partys feiern, Mädchen kennenlernen und anfangen zu studieren. Doch plötzlich, nach einem Drogentrip mit Jochen, hört er Stimmen und hat er erste Symptome von paranoider Schizophrenie, die unglaublicherweise in Deutschland ebenso häufig vorkommt wie Diabetes. Lukas weiß es zu diesem Zeitpunkt natürlich noch nicht und versucht verzweifelt, den Ursprung der Stimmen zu ergründen. Er entwickelt einen Plan zur Abwehr, führt Protokolle, baut einen Apparat zur Stimmenanalyse und stürzt er immer weiter ab.

Hans Weingartners „Das weiße Rauschen“ ist einer dieser Filme, bei denen die Grenzen von Realität und Fiktion verwischen und das bringt ihn, nicht nur allein durch den radikalen Einsatz der digitalen Videokamera, in die Nähe der dänischen Dogma-Filme. Durch das mit Improvisationen durchmischte Spiel der Darsteller ist auch kaum mehr auszumachen, ob man reale Personen oder fiktive Figuren beobachtet. Die äußerst begabten Jungdarsteller leben ihre Rollen, verschmelzen mit ihnen. Das verleiht „Das weiße Rauschen“ einerseits einen dokumentarischen Charakter, macht ihn zugleich sehr intensiv.

Der grauenvollen Erfahrung einer paranoiden Schizophrenie liefert Weingartner seine Zuschauer ganz schonungslos aus, bringt einem die Krankheit so nah, wie man sie eigentlich gar nicht erleben möchte. Besonders sein Umgang mit der Tonspur ist radikal und brachial. Lukas, ebenso wie die Zuschauer, hören viele Stimmen, die gleichzeitig wüste Beschimpfungen pöbeln, Befehle geben und schließlich sogar zum Selbstmord auffordern, zum Auslöschen Lukas’ armseliger Existenz. Unaufhörlich flüstern, rufen und reden ihm die Stimmen zu. Das sind die herausragenden Momente dieses bedrückenden Filmdebüts, das sich eigentlich keinem Genre wirklich zuordnen läßt, aber am ehesten noch das Label Psychothriller verträgt.

Über weite Strecken geben die Krankheit und ihre Symptome die Dramaturgie des Films vor. Zunächst der Ausbruch der Schizophrenie, dann ein radikaler Absturz aus der Realität, schließlich Psychiatrie, Psychopharmaka und die Entlassung, die dann in einen schlimmen Rückfall und einen erfolglosen Selbstmordversuch mündet.

Doch in der letzten halben Stunde widersetzt sich Weingartner diesen pathologischen Vorgaben, die vielleicht in fast jedem konventionellen Schizophrenie-Thriller unausweichlich gewesen wären. Er gibt Lukas die Chance eines Ausbruchs aus seinem Leben und die Möglichkeit der Suche nach einer einem anderen und einer Art Erlösung. Er wird nach einem Sprung von der Rheinbrücke von zwei Hippies gerettet, die ihn mit ihrer Kommune in zwei Hanomags auf einen Trip nach Spanien mitnehmen. Leider ist das, was folgt, über weite Strecken öde Hippie-Romantik mit Lagerfeuer und so und die dürfte manchen Zuschauern ebenso schnell auf die Nerven gehen wie Lukas. Weingartner schafft es so allerdings, Lukas in letzter Konsequenz nicht in der Psychiatrie oder durch Selbstmord auf dem Friedhof landen zu lassen.

In der letzten Szene, als er wieder allein in Spanien am Strand des Atlantiks hockt und den Wellen des Ozeans zuhört, glaubt er, das weiße Rauschen, das soetwas wie Gott oder die höchste Stufe der Erleuchtung sein muss, gefunden zu haben. „Wer das weiße Rauschen sieht, der wird sofort wahnsinnig. Außer wenn er schon wahnsinnig ist. Dann wird er normal“, glaubt Lukas. Dann ist der Film vorbei und man wird wieder in die Wirklichkeit entlassen - mit einem offenem Ende, von dem jeder eigentlich weiß, dass es keines ist.

zur Jump Cut Startseite

.
.

Newsletter

Anmelden zum Jump Cut Newsletter mit wöchentlichen News und Updates

Powered by KBX7

.

Jump Cut Partner

DVDs & Videos
Suchbegriffe:



In Partnerschaft mit Amazon.de

.
.

Internet Movie Database


Filmtitel Person
Powered by www.IMDb.com