| Fünf Uhr am Nachmittag 
		    Was möchtet ihr später werden? In dem Film "Fünf Uhr am
		    Nachmittag" von der iranischen Regisseurin Samira Makhmalbaf stellt eine
		    Lehrerin in einer Mädchenschule in Kabul diese Frage ihren
		    Schülerinnen. Wie weit reicht das Begehren der jungen Frauen nach dem
		    Sturz der Taliban? Wer von ihnen kann sich vorstellen, Präsidentin von
		    Afghanistan zu werden? Die Mädchen lachen über die utopische Frage.
		    Dann schauen sie sich unsicher an. Drei von ihnen stehen auf. Sie wollen
		    den Job machen. 
		     
		    Samira Makhmalbaf macht ihren Job seit einigen Jahren sehr erfolgreich. Als
		    Achtjährige übernahm die in Teheran geborene Tochter von Regisseur
		    Mohsen Makhmalbaf ("Die Reise nach Kandahar") die erste Rolle in einem Film
		    des berühmten Vaters. Seitdem steht sie hinter der Kamera. Drei Spiel-
		    und einen Kurzfilm drehte die 23-jährige. Ihr Handwerk lernte sie -
		    wie ihre beiden jüngeren Geschwister und die Ehefrau des Regisseurs
		    - auf einer Filmschule, die ihr Vater Mitte der 90er Jahre mit einer
		    Produktionsfirma unter dem Dach des Familienunternehmens
		    "Makhmalbaf Film
		    House" gründete. "Die schwarzen Tafeln" (2000) sowie "Fünf
		    Uhr am Nachmittag" (2003) von Samira Makhmalbaf liefen auf dem Filmfestival
		    in Cannes und erhielten den Spezialpreis der Jury. 
		     
		    Noqreh, Protagonistin in dem aktuellen Film, ist eine moderne Frau in einer
		    von Krieg und brutaler Unterdrückung gezeichneten Gesellschaft. Sie
		    trägt heimlich weiße Pumps, ein langes graues Kleid und einen
		    himmelblauen Schleier, der ihr Haar, aber nicht ihr Gesicht verhüllt.
		    Sie besucht die progressive Schule gegen den Willen ihres Vaters, der sie
		    bei religiösen Lektionen wähnt. Die Familie ist bettelarm: Der
		    Bruder wird vermisst, seine Frau, Noqrehs Schwägerin, ist verzweifelt
		    und kann ihr Baby nicht ernähren.
		     
		    Samira Makhmalbaf, die für die Deutschlandpremiere ihres Films Mitte
		    Juni nach Düsseldorf kam, kritisiert im Interview die Einseitigkeit
		    der Berichterstattung über Afghanistan. "In den Medien hört man
		    nur die Stimmen der mächtigen Autoritäten, der Politiker aus
		    Afghanistan. Man hört nichts vom wirklichen Leben der Menschen." 
		     
		    Sie begleitete ihren Vater zu den Dreharbeiten von "Kandahar" nach Afghanistan,
		    machte Fotos von Frauen und Kindern. "Ich ging dort hin, um mir eine eigene
		    Meinung zu bilden. Ich wusste nicht, wer unter der Burka steckte. Ich traf
		    diese Frauen, hörte ihre kraftvollen Stimmen und ihre Wünsche und
		    fragte mich, wie weit sie gehen könnten." 
		     
		    "Fünf Uhr am Nachmittag", der Filmtitel bezieht sich auf ein Gedicht
		    von Federico Garcia Lorca, wurde mit nicht professionellen Schauspielern
		    2002 in Kabul gedreht. Es gab kein Drehbuch. Die Realität vor Ort wurde
		    Bestandteil der Fiktion. Erst ganz zum Schluss, beim Schnitt, erzählt
		    Samira Makhmalbaf, entstand das endgültige Skript. 
		     
		    Die Regisseurin kreiert berückende, ikonengleiche Bilder: Das helle
		    Blau des Schleiers von Noqreh wird in der Farbe des Sonnenschirms aufgenommen,
		    den sie bei Spaziergängen mit einem jungen Dichter durch die vom Krieg
		    zerstörte Stadt trägt. Noch gibt es kein Happy End in den Ruinen
		    von Kabul. Aber die Hoffnung auf utopische Wünsche. 
		     
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