Patrice Chereau: Intimacy. Frankreich 2001
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Intimacy

Frankreich 2001
Regie: Patrice Chereau
Mit Kerry Fox, Mark Rylance

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Intimacy.

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KÖRPERWELT

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KRITIK

Jeden Mittwoch um eine Zeit, wo in England normalerweise Tee getrunken wird, treffen sich Jay (Mark Rylance) und Claire (Kerry Fox) in Jay's heruntergekommener Londoner Wohnung, um ihre Körper aufeinander zu hetzen und zügellos zu ficken. An der Wand sind Stockflecken und unter den Fingernägeln schwarze Ränder. Aber das macht alles nichts, denn was hier zählt ist nicht die gepflegte Playboy-Erotik, sondern Geilheit und Lust. Da ist alles andere Nebensache.

In „Intimacy", der dieses Jahr bei der Berlinale den goldenen Bären gewann, zwingt der ehemalige Opernregisseur Patrice Chéreau („Die Bartholomäusnacht") die Zuschauer teilzuhaben an der Intimität zwischen Jay und Claire. Sehr direkt ist der Sex, den er dabei vorführt. Die Kamera schmeißt sich schamlos ins Geschehen und beoachtet, ohne zu verdecken. Chéreau zeigt viel, mehr als die meisten anderen, schließlich fängt, laut Regisseur in „Intimacy" der Sex da an, wo er in anderen Filmen aufhört. Es ist Sex ohne Liebe, denn lieben können sich Menschen nur, wenn sie mehr voneinander kennen als nur den Körper des anderen. Jay und Claire wissen zunächst kaum etwas übereinander, was das Ausklammern von Liebe zu Gunsten der Lust überhaupt erst ermöglicht.
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Bei Chéreaus hier durchaus angemessener direkter Art liegt natürlich immer der Pornographie-Vorwurf nah, denn selbst vor einigen Jahren wären erigierte Glieder auf blitzweißen Kinoleinwänden ein Skandal gewesen. Doch mit Filmen wie „Romance" oder „Baise-moi- Fick mich", in denen die steifen Glieder nicht um ihrer selbst gezeigt wurden, begann sich eines der letzten großen Kinotabus aufzulösen. Diese Tendenz findet in „Intimacy" ihre Fortsetzung und die Sittenwächterrufe werden leiser.

Doch natürlich muß „Intimacy", der übrigens von zwei Erzählungen des „Mein wunderbarer Waschsalon"-Autoren Hanif Kureishi angeregt wurde und in einer Nebenrolle ein beglückendes Wiedersehen mit Rauchstimme Marianne Faithful beschert, mehr sein als bloßes Lakengewälze, und das ist er auch. Er entwickelt sich vor der Kulisse eines schmuddeligen Negativs des touristischem Hochglanz-Londons, das an das dunkle Großstadtmoloch London aus den Filmen Mike Leighs erinnert, von der leidenschaftlichen Affäre zu einer tragischen Liebesgeschichte.
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Der Abwärtssog setzt in dem Moment ein, als Jay beginnt, Claire nach der wöchentlichen Schäferstunde nachzuspionieren, um mehr über sie herauszufinden. Er folgt ihr in ein Pub, in dessen Keller sie Theater spielt – Tennessee Williams' „Glasmenagerie". Dort triftt Jay Claires dicken und gutmütigen Mann Andy (Timothy Spall), von dem er von Claires Familie, ihren Eheproblemen und ihren eher erfolglosen Schauspielambitionen erfährt (Die Ironie: Kerry Fox hat als beste Darstellerin bei der Berlinale den silbernen Bären erhalten). Aber auch Jays Hintergrund wird nicht ausgeblendet: Seit er seine Frau und zwei Kinder verlassen hat, jobbt er in einer Londoner Bar. Doch das, was Jay über Claire und sie später über ihn erfährt, führt sie nicht zusammen, sondern auseinander.

Es geht um Wahrheit, Neugier und auch Selbstbetrug, denn am Ende, nach dem letzten Fick im Stehen, gehen Jay und Claire aufgrund Claires Entscheidung auseinander, werden wieder zu Fremden. Fremde, die um des Wissens über und die letztlich starken Gefühle für den anderen eigentlich keine sein wollen. Warum das allerdings so sein muß und Claire freiwillig in die unglückliche Ehe zurückkehrt, bleibt das Geheimnis dieses ansonsten mutigen, zugleich aber auch bedrückenden und mit großartigen Schauspielerleistungen veredelten Filmes.

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