Schwerpunkt Asien: Aditya Chopra: Mohabbatein (Indien 2000)

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Aditya Chopra: Mohabbatein (Indien 2000)

Regie: Aditya Chopra
 

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Aditya Chopra: Mohabbatein (Indien 2000)
Kritik von Ekkehard Knörer

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Amitabh BachchanDas Kino Bollywoods ist ein Kino der Blende - und im Begriff der Blende darf man sich den "weichen" Schnitt, der im Trennen verbindet, und das englische "blend" als synchrone oder sukzessive Vermischung des Getrennten selbst noch einmal ungeschieden vorstellen. Die Utopie des kommerziellen indischen Kinos ist es, alles auf einmal zu sein, und zwar im Zugleich oder in den Effekten, die sich dem - notwendig: unvermittelten, aber: sanften - Übergang vom einen zum anderen verdanken. Im Zugleich etwa des Bitteren und des Komischen, zu dem es immer wieder kommt, entstehen Gemengelagen der Gefühle als Formprinzip eines Erzählens, das auf gar nichts anderes aus ist als auf diese Gemengelagen, die es nirgends sonst gibt. Der gleitende Übergang vom - internen, das heißt also: mit Wirklichkeitsabbildung unter keinen Umständen zu verwechselnden - Realismus der Diegese zum der Kontinuität von Ort, Zeit, Handlung, allem also was erzählerische Glaubwürdigkeit hieße, kaum mehr verpflichteten Überschwang der Bewegung in den Tanzeinlagen, ist selbst noch einmal Emblem dieser Übergängigkeit. Emblem zugleich und Höhepunkt, reinste Gestalt des Prinzips: denn von Bild zu Bild, von Schnitt zu Schnitt, wechseln hier - potenziell - die Kleider, die Farben, die Schauplätze, die Stimmungen, die Musikstile, die Verhältnisse zwischen den Personen.

Genres, aber auch Plots oder Charaktere nach westlichem Verständnis, sind in diese in unendlicher Vervielfältigbarkeit immergleiche Form rettungslos verstrickt, sind nie, wie exemplarisch in der kalifornischen Filmindustrieproduktion, vorgängig, sondern sozusagen nur Modulationen des Vorgegebenen. Zugleich ist die Form Bollywood beinahe unbegrenzt aufnahme-, genauer gesagt anverwandlungsfähig, es gibt kaum Motive, Themen, Genres (Terrorismus, Western, Melodram, Highschoolfilm, Romanze), die sich nicht inkorporieren ließen: Übernahmen von Versatzstücken und Plotmustern insbesondere aus Hollywood sind seit langem Usus. So bedient sich Mohabbatein (zu deutsch: Liebesgeschichten), ein Film, der alles, was Bollywood ausmacht, geradezu triumphal verkörpert, ganz ungeniert bei Peter Weirs "Club der toten Dichter". Amithabh Bachchan, der Superstar der 70er und 80er Jahre, gibt Narayan Shankar, den strengen, volltönend die Prinzipien Tradition, Disziplin und Ehre verkündenden Leiter des Elite-Colleges Gurukul. Ihm gegenübergestellt wird mit Sharukh Khan der größte Superstar der 90er Jahre, der Gegensatz ist vielfach determiniert: filmgeschichtlich zum einen, aber es stehen auch Moderne (Westorientierung) und reaktionär gewordene Tradition, Sinn für das Musische und humorlose Selbstvergottung, Liebe und Furcht gegeneinander. Auch in den Räumen kommt der Widerspruch, aber selbst noch einmal widersprüchlich, zur Darstellung. Gurukul, der Hort der Tradition, ist ein georgianischer Palast (der in Wahrheit auch in England steht), also weit weniger originär indisch als Shankar gerne wäre. Als sein Innerstes, das Aryan zu betreten sich lange weigert, ist davon ein Shiva-Tempel noch einmal abgesetzt. Dagegen steht die kleine Stadt, der artifizielle, sich als Filmkulisse - genauso wie Gurukul - selbst ausstellender Ort des Handels und Konsums (und ungescheuten Product Placements), vor allem aber auch des Tanzes. Shankar tritt hier nur einmal auf, muss jedoch unverrichteter Dinge das Feld räumen. Freilich findet das Eindringen von Liebe, Musik, Tanz in Gurukul selbst vom ersten Auftritt Raj Aryans ins Bild - und wird geradezu triumphal in einem großen Fest in der zentralen Halle, in der so Shankars Autorität in Grund und Boden getanzt wird. Amitabh Bachchan übrigens ist, sehr konsequent, der einzige, der aus allen Tanzszenen als ihr Gegenpol ausgeschlossen bleibt: als Gegenpol auch Bollywoods selbst auf gänzlich verlorenem Posten.

Wie kaum anders zu erwarten, wird der Konflikt am Hauptgegenstand des Unterhaltungskinos, der Liebe, weiter ausdifferenziert. Drei junge Männer treten auf, am Anfang des Films, der ihre Ankunft am Bahnhof zeigt. Auftritte produzieren den Star, der aus dem Nichts kommt und gleich, sofort überlebensgroß ist - eine Überlebensgröße, die nichts mit Heroismus zu tun haben muss, Sharukh Khans Markenzeichen ist eher eine leise Tölpelhaftigkeit (gegen die ein harter Kern erst im Verlauf profiliert wird). Die ersten, vom Kredit des Stars freilich ganz und gar gedeckten Inszenierungen Bachchans gehen, soweit man gehen kann, ohne vom Scheitelpunkt des geglückten Pathos hinab ins Lächerliche zu fallen: gottgleich, schwarzgewandet, steinernen Gesichts ist er vor den Hintergrund des Gurukul-Symbols der strahlenden Sonne gerückt. Jedoch auch an seinen drei "Zwischenhelden" praktiziert "Mohabbatein" den gloriosen Auftritt, mit Großaufnahmen und aufbrausender Musik werden die jungen Männer vorgestellt, als Figuren im Film, aber zugleich als neue Figuren auf der Bollywood-Bühne, unbekannte Darsteller alle drei. Raj Aryan (Sharukh Khan) als sanfter Rebell wird raffiniert eingeführt in der Parallelmontage mehrfacher, anonym bleibender POV-Einstellungen mit dem unter drohendem Trommelwirbel dahinschreitenden Narayan Shankar: Spannung baut sich auf in der Verweigerung des Blicks auf den Helden, aufgelöst wird sie überraschend: der Held spielt Geige auf den Stufen vor Gurukul.

Den drei jungen Männern, in sich eher nach Temperamenten differenziert, vom schüchternen Sameer bis zum draufgängerischen Vicky, werden drei junge Frauen zugeordnet, die nach dem Muster des Grundkonflikts von Tradition und Moderne sortiert sind: Kiran lebt im Hause ihres seit zwei Jahren toten Mannes, dessen Vater (eine Art Entsprechung Shankars) den Tod nicht wahrhaben will, die Schwiegertochter zur gemeinsamen Verdrängung drängt: sie wird aus den Armen des despotischen Schwiegervaters befreit. Am anderen Ende Ishika, hochmütige Studentin, Tochter reicher Eltern und Aerobic-Tänzerin, Verteilerin von Ohrfeigen: ihr wird der Kopf zurecht gerückt. Dazwischen Sanjana, die weniger society-bedürftig ist als sie scheinen will und das am Ende auch begreift. Die Differenzierung findet sich wieder in den Tanzstilen (eine Einlage demonstriert das in Vollendung), in der Kleidung - und überstrahlt werden alle drei von der toten Geliebten Raj Aryans, die zugleich, als Bindeglied, die Tochter Narayan Shankars war und von seiner Weigerung, ihre Liebe zu Aryan (damals Student in Gurukul) zu akzeptieren, in den Selbstmord getrieben wurde. Aufgelöst wird das inter- wie intratextuell komplexe Geflecht in allseitiger Versöhnung, das versteht sich von selbst. Shankar und Raj Aryan werden um die tote Geliebte/Tochter zur Familie, zu Vater und Sohn, zusammengefügt, die Liebesgeschichten produzieren ausnahmslos Paare. Das, was uns Kitsch heißt und mithin Ideologie, ist und bleibt die Geschäftsgrundlage Bollywoods, die notwendige Voraussetzung seiner monströsen Aufnahmefähigkeit. Die Merkmale des Trivialen - wenig ambivalente Helden, um Einzelheiten und Realitäten unbesorgte Entwicklungen von Figuren und Plots, Verwendung von Versatzstücken, Zeigen statt Zurückhalten, Drang zur Versöhnung - sind die Merkmale dieses Kinos, aber als Kunstform.

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