Pigs Will Fly (Eoin Moore, D 2002)

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Pigs Will Fly (Eoin Moore, D 2002)
Kritik von Dagmar Trüpschuch

 

Ein Meerschweinchen schwebt vom Himmel. Sicher befestigt in seinem Fallschirm. Zärtlich nimmt ein Mann es in seine Hände. Dieser Mann ist Polizist und heißt Laxe (Andreas Schmidt). Er wohnt und arbeitet im Berliner Märkischen Viertel. Freundlich und charmant grüßt er Passanten, betritt einen Supermarkt und gibt seiner dort arbeitenden Frau Manuela (Kirsten Block) einen liebevollen Begrüßungskuss. Gemeinsam streifen sie durch die Regale und kaufen ein. Der rosafarbene Sonnenschirm gefällt Manuela besonders gut. Einen gelben Schirm packt Laxe in den Einkaufswagen. Und befiehlt ihr bei den Weingläsern, diese doch bitte wieder hinzustellen. Aber sofort. Sonst würden sie wohlmöglich zerbrechen. Seine Mimik versteinert endgültig, als ein Kollege Manuelas sie freundschaftlich umarmt und den beiden einen Wein aus der gemeinsamen Heimat empfiehlt. So wird er eingeführt in die Geschichte: Laxe, der Mann mit den zwei Gesichtern. Der lächelnde Freund und Helfer, der kurz darauf laut „alte Fotze“ schreiend in seinem Auto sitzen wird.

Der in Berlin lebende irische Regisseur Eoin Moore hat einen Spielfilm über Gewalt gedreht. Über häusliche Gewalt. Über einen Mann, der seine Frau verprügelt. Nichts Neues erzählt Moore mit der Geschichte von einem Täter, der früher selber Opfer war. Nur der Blick auf die Täterperson ist ein anderer. Die Geschichte wird aus der Perspektive des Täters erzählt. Ohne diesen jedoch zu beschuldigen oder zu entlasten. Er zeigt einen Mann, dem Gewalt so selbstverständlich ist, dass er sie niemals als solche definieren würde. Passiert sie doch unter dem Deckmantel der Liebe und Fürsorge, zwangsläufig, alltäglich und ohne Schuldgefühle. Der Film dokumentiert unter dem nichts beschönigenden Auge der DV-Kamera von Kameramann Bernd Löhr, die verirrten, ausweglosen, verzweifelten und unreflektierten Gefühlswelten eines seelisch verkrüppelten Menschen.

Seine Kindheit verbrachte Laxe mit einem prügelnden Vater. Seine Mutter und sein jüngerer Bruder Walter (Thomas Morris) verließen früh den Hort der Gewalt, Laxe blieb beim Vater im Märkischen Viertel. Walter lebt heute als Aussteiger in San Fransisco. Im Gegensatz zu seinem Bruder wirkt er ruhig und ausgeglichen. Er hat sich eine Wahlfamilie gesucht, mit der er in einer Wohngemeinschaft zusammenlebt. Walter ist Schriftsteller und verarbeitet seine traumatischen Erfahrungen in Texten, die er beim Open Mike / Poetry Slam expressiv vorträgt. Bei ihm sucht Laxe zuflucht, nachdem er seine Frau mal wieder krankenhausreif geschlagen hat und deswegen vom Polizeidienst suspendiert wurde. Er muss mal „in seinem Kopf was für sich klären“, sagt er. In San Fransisco trifft er auf Menschen, die das Weltbild einer im Berliner Märkischen Hochhausviertel sozialisierten Person sprengen. Es ist ein San Fransisco der Aussteiger und Andersdenkenden. Doch Laxe bleibt zunächst Beobachter und folgt stur seinen eigenen Verhaltensmustern. In der Wohngemeinschaft seines Bruders begegnet Laxe der jungen Deutschen Inga (Laura Tonke). Laxe verliebt sich in die Frau mit dem anderen Lebensstil - und erhält eine zweite Chance.

Andreas Schmidt spielt Laxe mit einer überwältigenden Hingabe und Überzeugung. Überzeugend in seinem Charme oder in seiner Zwanghaftigkeit, Ordnung ins Leben und das Leben anderer zu bringen, überzeugend im Kampf mit sich selber und im Verlieren des Kampfes. Seine Qual ist Laxe anzusehen, wenn er kurz vor einem Wutanfall steht: das angespannte Gesicht, plötzliche unflätige Wortkaskaden, krampfende Hände. Kameraführung, Schnitt und Stimmen aus dem Off untersteichen die Ausbrüche und lassen sie wie einen Gewalttaumel erscheinen. Die Szenen erscheinen entrückt durch Zeitsprünge. Bild und Ton verlaufen asynchron. Die Gewaltszenen sind so inszeniert, dass sie Laxe nicht als gewaltgeilen Typen darstellen, sondern als jemanden, der keinen freien Willen mehr über sein Handeln hat.

Die Rolle des Laxe ist für Andreas Schmidt die dritte Hauptrolle in den Spielfilmen von Eoin Moore. Mit ihm schuf Moore drei Persönlichkeiten auf der Schattenseite des Lebens - in der Namensgebung den Regeln des Anagramms folgend: als Alex in seinem mit Preisen ausgezeichneten Abschlussfilm für die dffb „plus-minus null“, als Axel in „Conorama - und nun als Laxe in „pigs will fly“. Bei seiner Uraufführung auf den Hofer Filmfesttagen sorgte der Film für unterschiedliche Reaktionen beim Publikum: die Zuschauer reagierten entweder mitgerissen enthusiastisch oder skeptisch distanziert.

„Pigs will fly“ ist ein ausgezeichnet gespielter Film mit einem bekannten Thema, aber interessant-spannendem Blick auf die Gefühlswelten eines Mannes, der auf der Reise zu sich selbst auf dem schmalen Grat zwischen Sehnsucht, Liebe und Gewalt wandelt. Der Blick auf die weiblichen Figuren nötigt dem Publikum ein gewaltiges Maß an Geduld ab. Werden die Frauen doch als immerzu liebende Personen gezeigt, die eine starke Hand zu brauchen scheinen. Es ist kaum zu ertragen, wenn beispielsweise die grün und blau geschlagene Manuela immer noch ein liebevolles „Ich liebe dich“ für Laxe übrig hat. Doch zum Glück verweilen die Frauen nicht in ihren Opferrollen, sondern ergreifen die Chance sich zu emanzipieren. Aber lange muss das Publikum darauf warten, fast so lange, wie es wirklich braucht, sich aus Gewaltsituationen zu befreien.

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