Filmkritik: Lee Kang Sheng: The Missing (Taiwan 2003)

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Lee Kang Sheng: The Missing (Taiwan 2003)

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Lee Kang Sheng: The Missing (Taiwan 2003)
Kritik von Ekkehard Knörer

 

Was ist das: pure Manier? Der Blick geht durchs Aquarium, Blasen treiben nach oben, Fische schwimmen putzmunter durchs Wasser. Dem Blick aber ist nur das Wasser gegeben, durch das er durch muss, im Raum dahinter ein alter Mann, der eine Zeitung liest. Dann wird er sie zerreißen (das sehen wir schon von anderswo), dann ins Aquarium werfen (das sehen wir gar nicht). Die Fische überleben's nicht, auf einem Streifen, der ins tote Wasser mit den toten Fischen hängt, steht: Eine neue Pest. Es geht um SARS, aber sehr am Rande, auf einer zerfetzten Zeitung unter toten Fischen. Später wird ein Fernseher laufen, es wird wieder von SARS die Rede sein, sehr am Rande, dann wird der Fernseher ausgeschaltet. Der Junge, der der Enkel des Zeitung zerreißenden Großvaters ist, bricht auf. Das sehen wir. Das vom Großvater geschnürte Essenspaket hängt er am Rande eines Spielplatzes an einen Baum, da hängen schon die vom Vortag. Er geht nicht zur Schule, er geht in den Spielsalon, Ego-Shooting. In einem Bildschirm-Dialog mit einem Mitspieler fragt er, wann sie stark genug sind, Bush zu beseitigen. Die große Politik, sehr am Rande. Im Vordergrund geht es, tote Fische und aufsteigende Blasen, um anderes.

Auf der Toilette. Eine sehr lange, sehr starre Einstellung, auf der nichts zu sehen ist als ein leerer, hässlicher Toilettenraum. Ein Geräusch ist zu hören und wenn es kein Orgasmus ist, dann ist es ein typisches Toilettengeräusch. Am Ende dieser Einstellung wird eine ältere Frau zu sehen sein, sie hockt auf der Toilettenbrille. Dann geht sie hinaus ins Freie und sucht ihren Enkel. Er ist verschwunden. Die Kamera hat einen Standpunkt gefunden und gräbt sich dort ein. Sie folgt unbewegt der Frau, die über den Platz, durch einen Park rennt, hin, her, nach dem Enkel fragt. Manchmal gerät sie, in einer bald darauf folgenden an den Rand der puren Manier getriebenen Einstellung, aus dem Blick, zu sehen ist nur noch Gras, ein Hügel, dahinter verschwindet sie, fast vollständig. Ihr folgt der Film, bis zum Ende. Und dem Jungen, der sich auf die Suche nach seinem Großvater begeben wird. Zwei Suchende, durch Taipeh irrend, durch Einstellungen, die eine eingegrabene Kamera entwirft.

Einmal aber eine rasante Fahrt auf dem Motorrad, hinaus aus der Stadt, zum Militärfriedhof, der aussieht wie eine Schwimmbadumkleide, die Frau wird Hühnchen mitbringen und ein Feuer anzünden und sie wird weinen minutenlang, während sich die Kamera nicht bewegt. Ungerührt, ja, jeden Kommentar zum Thema Rührung verweigernd. Für Innenleben jeder Art interessiert sie sich nicht, Verzweiflung notiert sie, ihrem eigenen Nicht-Bewegungsgesetz folgend und den zwei Figuren, die sich sich ausersehen hat. Die Beschreibung von Verhältnissen funktioniert über das Entwerfen von Bildräumen. Einmal der Junge vor seinem Ego-Shooter, im unscharfen Vordergrund sein Hinterkopf nur angedeutet, der Rest ist Ballerei. Kurz darauf der Hinterkopf des Jungen scharf im Bildmittelpunkt, gerahmt nur vom Videospiel. Kurz darauf frisst sich die Kamera an der Pupille des Jungen fest, sucht darin die Schärfe des Videobildes, den Spiegel der Bewegung auf dem Bildschirm. Diese Kamera denkt sich noch das Auge des Menschen als Aufzeichnungsapparat, unbeteiligt, Oberfläche, glatt.

Eine Wasserfläche, ein Spiegel, darin findet das Ende seine Leitmotive wider. Der Junge, die Großmutter, die Suchenden in Taipeh, finden einander. Sie verfolgt ihn, an einem von Regenwasser gefüllten kleinen Teich in einer Baustellenbrachlandschaft kommen sie zur Ruhe, sie und ihre Spiegelbilder. Ein Zaun umgibt den Teich, die beiden, die sich nicht berühren werden, die am Wasser kauern, mit ihren Bildern im Wasser. Dann ist eine Wand zu sehen, Schatten darauf, ein Mann, ein Kind, ein Schwert. Die Wand ist ein Zaun, er umzäunt das Wasser, an dem die Frau, der Junge sitzen. Sie werden zueinander nicht finden, getrennt durch den Willen zum Zaun, die Unfähigkeit der Kamera zur Berührung. Pure Manier?

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