Löcher im Kopf
Ein beinhartes Allround-Talent mit einer anhänglichen
Fan-Gemeinde: Action-Heroe Jackie Chan führt auch als 47-Jähriger
noch alle seine Stunts persönlich aus. In seine Heimat Hongkong ist
der Kultschauspieler eine lebende Legende, doch auch in Hollywood mausert
sich Chan von Film zu Film zum Superstar. Seine Offenheit hat jedoch auch
die Traumfabrik nicht brechen können: Im Interview spricht Chan
freimütig über Zweifel an der Qualität der Hollywood-Produkte,
seine Vorbilder und Zukunftspläne.
Frage: Mr. Chan, angeblich war Ihnen die Fortsetzung von "Rush
Hour" nicht ganz geheuer...
Jackie Chan: Kaum war der erste Teil im Kasten, hieß
es, dass es eine Fortsetzung gegen würde. Damals glaubte ich allerdings
nicht, dass der erste Teil überhaupt erfolgreich sein würde. Ich
mag den Film ehrlich gesagt nicht.
Frage: Warum?
Chan: "Rush Hour" ist einfach nicht komisch und hat keine gute
Action. Der Film ist sehr amerikanisch - denken Sie nur an Dialoge wie "What's
up, Nigger?". In Asien kapiert so was kein Schwein, in Amerika dagegen klopfen
sie sich auf die Schenkel. Ich weiß nun, dass ich zwei Sorten Filme
machen muss: eine Sorte für den US-Markt und eine für meinen eigenen
Markt.
Frage: Welche Sorte ist erfolgreicher?
Chan: "Rush Hour" natürlich. In Hongkong hat der Film
allerdings nur zehn Millionen Dollar eingespielt. Zum Vergleich: "Drunken
Master 2" brachte dort 59 Millionen Dollar ein. Dafür hat "Drunken Master"
in den USA nur 25-30 Millionen Dollar gemacht. Mein eigenes Publikum reicht
also offenbar nicht aus. In Amerika gelte ich nun als neuer Action-Star,
dabei bin ich doch nicht neu! Ich bin alt, ein alter Action-Star. Man kennt
mich in Amerika bloß nicht so lange.
Frage: Hongkong-Action liegt im Trend, "Rush Hour 2" enthält
mehr Martial-Arts-Sequenzen als der erste Teil.
Chan: Ja, in den letzten Jahren hat eine neue Generation von
Regisseuren eine Vorliebe für das asiatische Kino entwickelt, und das
sieht man den Filmen an.
Frage: Wie kamen Sie bei den Dreharbeiten mit Ihrem Filmpartner
Chris Tucker aus? Beim ersten Teil soll Ihr Verhältnis zu ihm ja recht
kühl gewesen sein.
Chan: Wir sind inzwischen Freunde. Bei der Arbeit am ersten
Teil kannte ich Tucker noch nicht. Wenn er mit mir reden wollte, habe ich
mich vor ihm versteckt und bin in meinen Trailer geflüchtet. Mein Englisch
war damals nicht gut - ich habe ihn einfach nicht verstanden und wusste nicht,
wie ich reagieren sollte. Bei der Promotion-Tour sind wir uns langsam näher
gekommen. In Japan, Hongkong und Korea wohnten wir zusammen, haben gemeinsam
gegessen und wurden gute Freunde.
Frage: Um Ihren Fans gerecht zu werden, machen Sie jedes Jahr
mehrere Filme für unterschiedliche Märkte - inzwischen auch in
Kanada.
Chan: In Toronto drehe ich "Tuxedo", eine Dreamworks-Produktion
von Steven Spielberg. Er meinte, dass ich Regie führen sollte, aber
das wollte ich nicht. Also haben wir einen Regisseur aufgetrieben, Kevin
Donovan. "Tuxedo" liegt mir: mehr Schauspielerei und weniger Spezialeffekte.
Ich möchte auf Dauer kein Action-Star sein. Das Leben eines Action-Helden
ist recht kurz. Ich möchte gerne eine längere Karriere haben.
Frage: Um was geht es in "Tuxedo"?
Chan: Ich darf darüber nicht viel sagen. Ich spiele einen
Taxifahrer und helfe einem ehemaligen Spion, der im Krankenhaus aus dem Koma
aufwacht. Ich fahre zu seinem Haus, um ein paar Sachen für ihn einzupacken
- Zahnbürste und Unterwäsche und so weiter. Dabei entdecke ich
den Smoking (engl. Tuxedo), und die Geschichte nimmt ihren Lauf.
Frage: Was sagen Sie zum großen Erfolg von Ang Lees "Tiger
and Dragon"?
Chan: Das kam für mich genauso überraschend wie der
Erfolg von "Rush Hour". Filme wie "Tiger and Dragon" machen wir in Hongkong
doch seit über 30 Jahren. Dort laufen diese Sachen überall im
Fernsehen.
Frage: Haben Sie Vorbilder, mit denen Sie gerne mal arbeiten
würden?
Chan: Sylvester Stallone ist seit langer Zeit mein Held, weil
er Drehbücher schreibt, Regie führt und Hauptrollen spielt. Ich
bewundere Menschen mit echtem Talent - Menschen, die mehr können als
nur gut aussehen. Ich möchte seit vielen Jahren einen Film zusammen
mit Stallone machen, aber er ändert immer wieder das Drehbuch. Er wollte
einen neuen "Rambo" drehen, in dem ich einen Drogendealer spielen sollte
- einen Bösewicht, der dann im Verlauf des Films zum "good guy" wird.
Da machen aber leider meine Fans nicht mit. Sie haben mir Briefe geschrieben,
dass ich keinesfalls einen Drogendealer spielen darf.
Frage: Wenn Sie mal ein paar Tage Ferien machen könnten:
Was würden Sie tun?
Chan: Die Dreharbeiten sind für mich wie Ferien: Ich bin
in einem anderen Land, treffe neue Leute, und wir arbeiten schließlich
nicht rund um die Uhr. Ich ziehe das Drehen der Pressearbeit vor. Bei
Promotion-Touren ist man an einem Tag in New York, am nächsten Tag in
Los Angeles auf der Premiere, dann auf einem anderen Pressetermin und
schließlich bei Jay Leno. Das macht mich wahnsinnig und ist viel
anstrengender als Filmemachen.
Frage: Auch Jackie Chan wird älter. Führen Sie noch
immer alle Ihre Stunts persönlich aus?
Chan: Ja, ich choreographiere die Stunts selbst und weiß
genau, wie weit ich gehen kann. Ist ein Sprung zu weit, mache ich die Lücke
eben etwas kleiner.
Frage: Trotzdem ziehen Sie sich bei fast jedem Film Verletzungen
zu.
Chan: Stimmt, mein Kopf ist voller Löcher.
Frage: Was ging bei den Dreharbeiten zu "Rush Hour 2"
daneben?
Chan: Das Klettern auf den Bambusstangen. Es hat geregnet und
die Stangen wurden glitschig.
Frage: Nachdem Ihnen "Rush Hour" missfallen hat: Verraten Sie
uns Ihre ehrliche Meinung zur Fortsetzung?
Chan: Zweifellos besser als der erste Teil, aber immer noch
zu amerikanisch. Es wird wirklich höchste Zeit, dass ich wieder einen
asiatischen Film drehe.
Interview: P. Fischer/A. Feldmann/R. Pfirstinger
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