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Andreas Dresen

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Biografie



Geboren am 16.8.1963 in Gera. Studium an der hff (Hochschule für Film und Fernsehen Konrad Wolf) in Potsdam-Babelsberg.

"Kino ist radikal, sowohl von der Machart her, als auch von den Amplituden der gewählten Geschichten. Was wir anstreben, ist keine schöne, abgerundete Ästhetik, sondern Authentizität! Wir wollen deshalb den Lichtaufwand auf ein Minimum reduzieren, Originalstimmungen in ihrer Rauheit erhalten. Schauspieler und Laien agieren gemeinsam. Der Kamera ist es erlaubt, links und rechts des inszenierten auf das Leben der Stadt zu schauen, die Begegnung der Wirklichkeit mit dem Fiktiven zu suchen. Keine Schienenfahrten, keine Kräne, dafür bewegliche Handkamera, statt im Studio wird ausschließlich an Originalmotiven gedreht usw. Die Menschen unserer Geschichten sind wichtiger als Technik, soziale und poetische Momente stehen über formalem Perfektionismus. Es geht nicht um die schöne Oberfläche, sondern um den Herzschlag dahinter. Angesichts einer politischen Entwicklung in unserem Land, die zu immer stärkerer sozialer Polarisierung führt, scheint es an der Zeit, sich der harten Realität des gegenwärtigen Alltags mit den entsprechenden filmischen Mitteln zu nähern."

Andreas Dresen

Filmografie

1985 Der kleine Clown
(imdb)
1987 Schritte des anderen
(imdb)
1989 Jenseits von Klein Wanzleben
(imdb)
1991 So schnell geht es nach Istanbul
(imdb)
1992 Stilles Land (Fernsehfilm)
(imdb)
1993 Krauses Kneipe (Fernsehfilm)
(imdb)

1994 Kuckuckskinder (Dokumentarfilm)

Portrait der 14jährigen Fanny, die auf der Straße lebt, zur Zeit, zu der der Film gedreht wird, aber gerade in einem Heim ist.
(imdb)


1994 Mein unbekannter Ehemann

(Fernsehfilm. Erstausstrahlung Arte im Juni 1995. Mit großen Erfolg in Südwest 3 am 23.10.1995 in der Reihe Debüt im Dritten. Förderpreis der Jury beim Max-Ophüls-Festival in Saarbrücken 1995. 26.3.1997 Ausstrahlung in der ARD-Reihe WILDE HERZEN mit knapp 6 Mio Zuschauern)

"Die vier Hauptfiguren dieses Films sind Gefangene ihrer selbst, die ihr Lebensglück verspielen, weil sie ihre eigenen Wünsche vernachlässigen, um ihren vermeintlichen Verpflichtungen anderen gegenüber nachzukommen; es sind Menschen, die sich ihre wahren Gefühle nicht eingestehen können und deshalb schweigen, wo es besser wäre zu sprechen, sich gegenseitig verletzen, ohne es zu wollen und immer erst zu spät begreifen, daß sie am entscheidenden Wendepunkt ihres Lebens einfach geradeaus weitergegangen sind. Ein Film der verpaßten Chancen also, der seine Komik aus kleinen Gesten bezieht, nicht aus der Bloßstellung seiner Figuren." (Christian Ruschel)
(imdb)


1994 Andere Leben des Herrn Kreins (Fernsehflm)
(imdb)
1995 Heimatgeschichten - Sprung ins Glück (Fernsehfilm)
(imdb)
1995 Heimatgeschichten - Alte Freunde  (Fernsehfilm)
(imdb)
1995 Freundin wider Willen - Achterbahn (Fernsehfilm)
(imdb)

1997 Der Tausch

( Fernsehfilm aus der Reihe 'Polizeiruf 110'. Erstsendung ARD 9.3.1997)

Der Film "macht(...) erneut Dresens Interesse an Verliererfiguren, gescheiterten Existenzen, deutlich. Ansonsten hat der wiederum in Ostdeutschland spielende Krimi um ein ermordetes und sodann vertauschtes Baby wenig mit Dresens vorhergehenden Filmen gemein – der desillusionierende Schluß läßt von der bürgerlichen Fassade nichts mehr übrig, es bleibt kein Hoffnungsschimmer." (Christian Ruschel)
(imdb)


1997 Raus aus der Haut (Fernsehfilm)
(imdb)

1999 Nachtgestalten

(Wettbewerb der Berlinale. Darstellerpreis für Michael Gwisdek. Nominiert für den Deutschen Filmpreis 1999: Bester Film, beste Regie, bester Darsteller Michael Gwisdek, bester Nebendarsteller Dominique Horwitz)

Produktion: Peter Rommel Productions, BRD 1998; Regie/Buch: Andreas Dresen; Kamera: Andreas Höfer; Schnitt: Monika Schindler; Musik: Cathrin Pfeifer, Rainer Rohloff; Darsteller: Meriam Abbas (Hanna), Dominique Horwitz (Victor), Oliver Bäßler (Jochen), Susanne Bormann (Patty), Michael Gwisdek (Peschke) u.a.; Format/Länge: 35mm, F., 104 Min.; Verleih: MFA Film Budget: knapp 3 Mio. DM

Distribution, Föhringer Allee 17, 85774 Unterföhring, Tel. 089/958438-0 / Fax -38;
(imdb)



Dominique Horwitz und Meriam Abbas in Nachtgestalten.

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Michael Gwisdek
Michael Gwisdek in Nachtgestalten

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Susanne Bormann und Oliver Bäßler in Nachtgestalten

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Interview

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Andreas Dresen während der Dreharbeiten
Ausschnitte aus einem Interview der Uni-Zeitschrift UNICUM mit dem Regisseur (das ganze Interview):

"UNICUM: In Cannes gab es ähnliche Erfolge mit "Wege in die Nacht", gleichfalls ein ostdeutsches Drama - hat sich im Kino made in Germany etwas verändert?

Dresen: Es gibt einen Wunsch der Zuschauer, etwas von ihrer eigenen Wirklichkeit im Kino wiederzufinden. Das wurde viele Jahre vernachlässigt. Da gab es diese gehobenen Mittelstandskomödien in schicken Wohnungen, denen das Essentielle und die Tiefenschärfe fehlte. Wir sollten lieber erzählen, was wir auf der Straße sehen. Allerdings nicht auf diese sozialdidaktische und belehrende Art, mit der deutsche Filme schon einmal gescheitert ist. Kino muß sinnlich sein.

UNICUM: Stört Sie das Etikett Ossi?

Dresen: Ich bin darüber nicht gerade erfreut. Immerhin leben wir jetzt zehn Jahre in einem gemeinsamen Land, und inzwischen bin ich in einer gesamtdeutschen Realität angekommen. Das Problem ist, daß wir auf diese ewige Ostschiene geschoben und mit einer immergleichen Ästhetik gleichgesetzt werden: Ich habe keine Lust, Zeit meines Lebens immer nur DDR-Geschichten zu erzählen.

UNICUM: Formal erinnert Ihr Film an die dänischen DOGMA-Regeln - nur ein Zufall oder Inspiration?

Dresen: Als wir drehten, gab es DOGMA noch nicht. Erst bei der Endfertigung brachte unser Produzent Peter Rommel aus Cannes einen Zettel mit den dänischen DOGMA-Regeln mit. Vermutlich hatten wir unabhängig voneinander zur gleichen Zeit das gleiche Gefühl, uns von einem formalen Korsett befreien zu müssen. Wir wollten den Schauspielern und der Kamera mehr Raum geben, um damit unsere Geschichten wahrhaftiger und glaubhafter zu erzählen. Wobei allein eine Handkamera noch nicht ausreicht, um authentisch zu sein.

UNICUM: Ihr Großstadtdrama bietet reichlich Gutmenschen...

Dresen: Mir war wichtig, daß der Film nicht hoffnungslos bleibt. Ich bin da sozusagen religiös. Ich brauche diesen Glauben, daß es im Menschen etwas gibt, das unzerstörbar ist. Im Film bleibt es aber immer bei Andeutungen: Das Junkie-Mädchen stiehlt dem Bauern ein Bündel mit Hundertmarkscheinen und läßt ihm nach etwas Zögern nur einen Schein zurück. Ein winziger Punkt, der zeigt, daß diese geschundene Seele noch zu einer Regung fähig ist."

Kritiken

"Herzschlag und Bombenticken

von Regine Sylvester

"Nachtgestalten" ist erst der zweite Kinofilm des Regisseurs Andreas Dresen, 35.Aber Dresen hat sich mit Fernsehfilmen, Dokumentarfilmen und Theaterinszenierungen längst als außergewöhnlicher Regisseur und Autor erwiesen. Kaum noch jemand in Deutschland kann so genau, lakonisch, komisch und erschütternd erzählen. Er arbeitet immer mit demselben Team, immer wieder auch mit denselben Schauspielern. Dresen hat den Instinkt für die Bedürfnisse einer Szene, für Maß und Tempo eines Dialogs, für die Wucht einer Bewegung, und er ist von Mitarbeitern umgeben, die das richtige Auge und die Lebenserfahrung dafür haben, wie eine Mütze, eine Wand, eine Frisur aussehen müssen, damit der Zuschauer Wahrhaftigkeit spürt.

Der Film wurde fast nur nachts gedreht. Keine Schienen, kein Kran, der Kameramann Andreas Höfer schleppte die ganze Zeit eine 20 Kilogramm schwere Kamera auf der Schulter. Die Stadt ist bei ihm kein lokalisierbarer Platz, über dem der Fernsehturm blinkt, sondern ein gefährliches Labyrinth. Flure, Türen hinter Türen, Straßenfluchten und nacktes Fleisch in einem harten Licht. Berlin, das schlägt wie ein Herz und tickt wie eine Bombe. Eine Stadt, in der Menschen wohnen, die sich nicht begegnen müssen."

vollständige Kritik in der Berliner Zeitung 15.2.1999

Andreas Dresens "Nachtgestalten" machen Hoffnung auf ein anderes deutsches Kino
Von Georg Seeßlen

Im Kino ist das Klischee indes keinQualitätsmerkmal für sich. Man kann es benutzen, wie der Maler seinen Pinsel benutzt oder der Cowboy seinen Revolver. Es braucht zwei Impulse, um zum Leben zu gelangen: den filmischen Verstand und die Zärtlichkeit. Und weil Andreas Dresen von beidem genug zeigt in seinem Film Nachtgestalten, hat man schon nach wenigen Minuten vergessen, was anderswo unverzeihlich wäre. Dass es so kommt, wie man denkt, dass es kommen müsste, dass es so aussieht, wie es aussieht. (...)
Aber etwas anderes ist ihm gelungen, was Nachtgestalten vielleicht zu einem der wichtigsten Filme dieser Jahre machen wird. Er hat etwas von einem humanistischen Realismus für unsere Kinematografie gerettet, für den es im Westen kaum eine Chance gab. Sich Menschen genauer anzuschauen, Personen und Schauplätzen zu vertrauen, dazu war keine Zeit.(...)
Nachtgestalten ist vermutlich nicht gleich das Meisterwerk jener Bewegung im deutschen Film, der man das Etikett "Rückkehr des Sozialen" angehängt hat. Der Augenblick ist noch nicht zur Besinnung gekommen. Aber ein Anfang ist gemacht. Es gibt Hoffnung auf einen deutschen Film, der sich auf die Suche macht nach unserem wirklichen Leben.

vollständige Kritik in DIE ZEIT 1999 Nr. 33

Theater

Zur Inszenierung des Urfaust in Cottbus


Andreas Dresen ging sorgfältig der Dichtung nach und entdeckte ein Volksstück ganz modernen, heutigen Zuschnitts. Faust, der Student hinter bücherbepacktem Tisch (Nils Brück), der raus will aus seiner Bude, sich mit dem Teufel verbindet und von jungenhafter, verzehrender Zuneigung zu Margrete ist. Mephisto, eine hinkende, behörnte Volksfigur der Turnschuhgeneration (Dirk Glodde), ein wenig verkommen, intelligent und mit behaartem Schwanz, der auch mal zum Phallus umimprovisiert wird. Und Gretchen mit Bike und Baskenmütze: selbstbewußt, unsentimental, doch gefühlsstark und sehr modern (Corinna Breite). Spontane, ungebrochene Glückseligkeit. Auf einer weit schwingenden Schaukel “Meine Ruh ist hin ...”. Liebesszenen von berührender Zartheit. Darüber ein Mond in einem wunderschönen, blauschwarzen Sternenhimmel, wie er nur auf dem Theater sein kann

Dienstag, 5. Januar 1999

Ankündigung einer erneuten Regiearbeit Andreas Dresens in Cottbus:
Filmregisseur Andreas Dresen inszeniert am Theater

BM Potsdam - Der Filmregisseur Andreas Dresen arbeitet wieder am Theater. Nach seiner höchst erfrischenden und sehr kurzweiligen «Urfaust»-Inszenierung am Staatstheater Cottbus - Dresens Regie-Debüt am Theater steht auch nach fast drei Jahren noch auf dem Spielplan - , soll der Potsdamer erneut in der Lausitz arbeiten. Geplant ist die Übernahme einer Inszenierung zum Ende dieser Spielzeit im Frühsommer. Was Dresen inszenieren wird, ist derzeit noch offen: Dem Wunsch des Staatstheaters, Friedrich Wolfs «Cyankali» zu bearbeiten, möchte Dresen nur ungern nachkommen, weil ihm das Stück zu «moralinsauer» ist, wie er gegenüber der Berliner Morgenpost betonte. Jetzt suchen Filmregisseurund Theater nach einem Alternativstück.

Wenn Dresen in Cottbus inszeniert, trifft er auf bekannte Gesichter, denn in seinen Filmen agieren häufiger Schauspieler des Staatstheaters. In seinem jüngsten Werk «Nachtgestalten», das im Frühjahr in die Kinos kommen soll, spielt beispielsweise Staatstheater-Star Oliver Bäßler in seiner ersten Filmrolle einen Bauern, der in die Hauptstadt kommt, um sich mit einer Prostituierten zu amüsieren. Dabei hat er allerdings einige Probleme . . . skin

Berliner Morgenpost, Dienstag, 1. Juni 1999

Andreas Dresen inszeniert 'Herr Puntila und Knecht Matti in Cottbus:

Junger Herr, erfahrener Knecht

Filmregisseur Andreas Dresen inszeniert Brechts «Puntila» in Cottbus

Von Stefan Kirschner

BM Cottbus

Bäßler läßt sich durch die kistenweise auf der Bühne des Staatstheaters Cottbus stehenden Behältnisse bei der Probe zu «Herr Puntila und sein Knecht Matti» anregen. Steigt auf die Hälse. Die Kiste wackelt. Bäßler jongliert. Die Flaschen stehen. Bäßler auch. Er hätte das Zeug zum Artisten. Aber das wollte er schließlich auch mal werden . . .

Wer ihn auf der Bühne erlebt, ist froh, daß er sich anders entschieden hat. Der Mittdreißiger, der von der Statur her eher an einen Packer erinnert, übernimmt die Rolle des Puntila, ganz wie es sich Gastregisseur Dresen gewünscht hat. (...)

Diesmal also den Herrn. Und der wesentlich ältere Wolf-Dieter Lingk übernimmt den Matti. Eine Umkehrung der klassischen Besetzung. Ein schmächtiger Knecht mit Lebenserfahrung und ein «junger, dynamischer, kraftvoller» Herr, der sich nicht so verhalten mag, wie es der Kapitalismus erwartet.

In Cottbus gespielt wird eine Mischung der Fassungen aus den Jahren 1940/48. Die spätere Version des Berliner Ensembles («Verehrtes Publikum, der Kampf ist hart, doch lichtet sich bereits die Gegenwart») wurde im Vorfeld schnell zu den Akten gelegt, denn die Eröffnung der Züricher Uraufführung («Die Zeit ist trist, klug wer besorgt und dumm wer sorglos ist») erschien schlichtweg zeitgemäßer.

«Virtuose Interpretationsverrenkungen» sind Dresens Sache nicht. Während der Probe hält er sich eher zurück. Für ihn steht auch bei «Puntila» die Geschichte im Mittelpunkt. Eine «kräftige volkstümliche Spielweise» und eine «handlungsorintierte, sinnliche Aufführung» verspricht er. Für den Zuschauer, nicht für den Brecht-Spezialisten inszeniert Dresen. Kam Einar Schleefs vor drei Jahren am Berliner Ensemble realisierter «Puntila» auf fast fünf Stunden Aufführungsdauer, strebt der Filmregisseur, der zum zweiten Mal am Theater inszeniert, in Cottbus die Hälfte an. Gestrichen wurden episierende Passagen und lehrstückhafte Phrasen.

Oliver Bäßler hat in der Zwischenzeit sein Flaschenproblem gelöst. Er liegt breitbeinig in der Schubkarre. Schwadroniert über die Arbeit an sich. Wartet darauf, daß Matti ihn zum (fiktiven) Berg schiebt. Bäßler steigt über Tische und Stühle, stößt durch die Luke, wuchtet sich auf den «Zauberwürfel». Da passiert es: Die Hose reißt im Schritt. Puntila schwärmt zwar noch vom gewaltigen Ausblick, der die kleinen Kümmerlichkeiten vergessen läßt. Aber ganz ernst kann er das angesichts seiner Hose nicht mehr sagen."

Berliner Morgenpost