Frauen weinen besser, soll Pedro Almodóvar
in einem Interview gesagt haben, um seine Präferenz für weibliche
Hauptdarstellerinnen zu erklären. In Sprich mit ihr, dem
neuen Film des spanischen Regisseurs, führt er seine männlichen
Helden ins Tal der Tränen.
Ein roter Vorhang hebt sich zu Beginn des Films. Pina Bausch, die
Wuppertaler Choreografin, führt in einem Theater mit ihrem Ensemble
das Stück Café Müller auf. Im Publikum sitzen
der Journalist Marco (Darío Grandinetti) und der Krankenpfleger Benigno
(Javier Cámara) nebeneinander. Marco weint. Noch sind die beiden
Männer Unbekannte füreinander, erst durch einen tragischen Unfall
lernen sie sich kennen.
Marco verliebt sich in die Matadorin Lydia (Rosario Flores) und begleitet
sie zu ihren Auftritten. Bei einem Stierkampf wird Lydia schwer verletzt
und fällt ins Koma. Im Krankenhaus trifft der Journalist auf Benigno,
der die Tänzerin Alicia (Leonor Watling) pflegt, seit sie vor vier Jahren
bewusstlos eingeliefert wurde. Sprich mit ihr, lautet der Rat
des Krankenpflegers an den Geliebten der Stierkämpferin. So, wie er
seit Jahren mit Alicia spricht. Benignos Gefühle kreisen um die Regungslose
im Bett, die er liebt, seitdem er sie von seinem Zimmer aus in der Ballettschule
von Katerina Bilova (Geraldine Chaplin) gegenüber tanzen sah.
Komisch bis zur Absurdität, aufgedreht bis zur Karikatur und
bunt bis zum Augenschmerz gebärden sich viele Filme von Almodóvar
(Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs, Alles
über meine Mutter). Über Sprich mit ihr liegt
eine Melancholie und Stille, die sich in der Passivität der bewegungslos
im Krankenbett ruhenden Frauen und der langsam entstehenden
Männerfreundschaft herauskristallisieren. Wie Schneewittchen -
nur ohne Glassarg - oder schlafenden Geishas gleich sitzen die beiden Frauen
in einer Szene in blauen Liegestühlen, mit schwarzen Sonnenbrillen,
orange- und pinkfarbenen Bademänteln und quer gestreiften Korsagen,
die Köpfe einander zugewandt. Hinter ihnen stehen die beiden Männer
wie einsame Wächter: Begnino rührend in seiner Fürsorge, Marco
stumm in seiner Verzweiflung.
Unaufgeregt, in einem fast schleichenden Rhythmus bewegt sich der
Film über die Leinwand. Ein artifizielles Werk, in dem alles zueinander
passt: die schwermütige Geschichte, die klaren Farben und die
schmerzerfüllten Weisen eines Liedes des brasilianischen Sängers
Caetano Veloso, Cucurrucucú Paloma. So fühlt man
mit, schwebt dahin, bis Almodóvar eine Grenzübertretung
mit morbiden Zügen vollzieht. Ein siebenminütiger Stummfilm kaschiert
auf formvollendete Weise eine körperliche Inbesitznahme. Eine Wendung,
die nicht nur aufgrund ihrer bemerkenswerten filmischen Umsetzung den Atem
raubt.
Wenn der Vorhang am Schluss nach dem Stück Masurca Fogo
von Pina Bausch fällt, weint Marco wieder. Aber dann hat er bereits
in dem Theater, in dem Benigno ihn das erste Mal sah, seine neue Liebe getroffen.
So elegant kann nur ein Film von Pedro Almodovar enden.
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