Tunde Kelani: Agogo Eewo (Nigeria 2002)

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Tunde Kelani: Agogo Eewo (Nigeria 2002)

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Tunde Kelani: Agogo Eewo (Nigeria 2002)
Sehr vorläufige Gedanken zum nigerianischen Videofilm von Ekkehard Knörer

 

But I think that Nigeria may still, surprisingly, be the hope of African cinema. I think that the country is full of surprises. I think after our New York experience, you will be surprised. We may as well redefine the concept of African cinema.

- Tunde Kelani

Die International Movie Database führt nur zwei Filme mit Tunde Kelani, einmal ist er als Darsteller, einmal als Produzent genannt. Das Werk des bedeutendsten nigerianischen Filmemachers existiert nicht, in den Augen der Welt. Nun ist Filmemacher schon nicht ganz richtig, denn wie alle der (jährlich derzeit einen Ausstoß von fast 1000 Filmen produzierenden) Regisseure aus Nigeria dreht er auf Video, mit billiger Ausrüstung, in billigen Dekors (genauer gesagt: auf der Straße, in Wohnungen) und wäre man geneigt, filmhistorische Zuordnungen zu versuchen, könnte man das ganze einen der Not und der Lust am Drauflosfilmen abgewonnenen Neorealismus nennen. Mit jeder Menge Geisterglauben allerdings, denn der gehört dazu zum nigerianischen Blick auf die Gesellschaft.

Jedenfalls liest man das - und in den zwei nigerianischen Videofilmen, die ich gesehen habe, finde ich es bestätigt. Der erste trägt schon den Titel "Beyond Belief", eine Geschichte im engeren Sinne hat er nicht, Waffen allerdings, Prostitution, Familienprobleme werden, vorsichtig gesagt: thematisiert. Vor die Kamera gebracht. Die Kamera hält drauf auf Darsteller, die ihre eigenen Ideen davon haben, was man tut als Darsteller. Von hölzern bis exaltiert entfaltet sich eine wilde Schauspielstilmischung, die wohl nicht der Wirklichkeit und der Idee wirklichkeitsgetreuer Darstellung abgerungen ist, sondern der ungeschulten Vorstellung davon, was es heißen kann, vor einer Kamera zu stehen und eine fiktive Geschichte illusionistisch zu spielen. Natürlich fehlt mir jeglicher Referenzrahmen. Ich kenne nicht die Codes der Gesten, die Codes des Alltags in Nigeria. Ich bin zu wilden Mutmaßungen und Extrapolationen gezwungen, will ich irgendetwas sagen über das, was ich sehe. Das Outrierte im Spiel des Vaters findet sein Maß nur am vergleichsweise gezügelten Spiel manch anderen Darstellers. Ich lese, dass sich die Nigerianer in starkem Maße mit den Geschehnissen der Fiktion identifizieren. Ich denke an Gute Zeiten, Schlechte Zeiten. Die Darsteller sprechen englisch, aber in einer mir kaum verständlichen afrikanischen (nigerianischen?) Variante. Das Maß der Ferne und Begreifbarkeit des Gesehenen wird dadurch zusätzlich verwirrt. Manchmal scheine ich zu verstehen, insgesamt finde ich es beinahe unerträglich.

Tunde Kelanis "Agogo Eewo" ist in Yoruba, einer der Landessprachen Nigerias gedreht. Der Untertitel wegen ist das viel verständlicher. Der Videofilm wird auf die große Leinwand projiziert, im Walter Reade Theater der New Yorker Film Society, die eines der großen Zentren der globalen Filmkultur ist, neben der Cinemathèque, dem Berliner Arsenal. Im Rahmen des afrikanischen Filmfestivals gibt es eine mid career retrospective Kelanis. Sein Werk existiert in den Augen der Welt. Im Publikum, am Nachmittag, fast nur Schwarzafrikaner. Die Musik, die leitmotivisch eingesetzt wird, dem Film zugleich einen Rhythmus gibt, ist simpel melodisch und mit Synthesizer simpel instrumentiert, aber beinahe ein Ohrwurm. Unterbrochen wird das Spielgeschehen immer wieder von Musikeinlagen, sehr perkussiv, sie scheinen halb der Diegese zuordenbar, halb auch nicht. Es ist vielleicht nicht ganz verkehrt, an Bollywood zu denken (das in Afrika viel präsenter ist als in unseren Breitengraden), aber ohne allen Exzess. Und vielleicht ist es doch ganz verkehrt an Bollywood zu denken, vielleicht hat es nur mit Nigeria, mit Afrika zu tun: Probleme werden gesangsförmig gemacht als eine Art, ihnen eine Form, eine Darstellung zu geben. Vorgestellt, im ersten Gesang, wird Jogbo, der Staat, der einen neuen Herrscher sucht, Jogbo, ein Staat mit großen Problemen.

Damit sind wir schon in der Handlung, die allegorisch ist. Eine Allegorie, die sich der bricolage bedient und aus dem, was da ist, Sinn schafft. Aus einer Armut an Mitteln gewinnt der Film durchaus einen Reichtum an Bedeutung. Es bleibt freilich, wenn man es so paradox formulieren kann, ein simpler Reichtum. Something is rotten in the state of Jogbo. Die Berater, die sich einen jungen König ausgesucht haben im Glauben, er sei leicht zu beherrschen, sehen sich bald einer aufrechten Beraterschar gegenüber und einem König, der zögert, sich aber zuletzt für das Richtige entscheidet. Die Frau des Königs spielt ihre in Richtung Lady Macbeth schillernde, zuletzt aber weniger dämonische Rolle. Aufgelöst wird die Lage durch einen "deus ex machina", einen Schwur, der dem Film den Titel gibt. Dieser Schwur, den alle Politiker zu leisten haben, hat die Kraft, den zu töten, der gegen die darin gegebenen Versprechen verstößt. Das ist dann der Höhepunkt des Films: die korrupten Berater kippen tot von der Bank. Wie sehr die Kraft des Schwurs bare Münze ist, wie sehr Metapher: ich kann es nicht entscheiden.

Angesiedelt ist alles im nigerianischen Alltag - falls ich das richtig identifiziere. "Agogo Eewo" ist das Sequel zu "Saworoide", einer anderen politischen Allegorie Kelanis - die allerdings die Diktatur gewidmet war so wie der Nachfolger nun der Hoffnung auf demokratischere Zustände. Der nigerianische Videofilm hat eine starke Tendenz zum Sequel (das es ja beispielsweise in Bollywood überhaupt nicht gibt), die nicht zuletzt daher rührt, scheint mir, dass die Rezeptionsform sehr fernsehähnlich ist. Die Filme werden in erster Linie nicht in Kinos gezeigt, sondern zu Hause in den Videoplayer geschoben und auf dem Fernseher gesehen. Bei einem Erfolg lässt sich die Fortsetzung innerhalb kürzester Zeit drehen, eine Woche vielleicht, schnell zusammenschneiden, günstige Bedingungen für einen Markt und rasche Reaktionen auf Bedürfnisse.

Allerdings gilt das für Kelanis Filme noch am wenigsten, hinter der Professionalität - zum Beispiel der Kamera, aber auch der Darsteller - steckt offenkundig eine Menge Arbeit. Kelani, der ein Kamera-Diplom der London International Film School besitzt, hat, so ist in einem Interview zu erfahren, gerade fünfzehn Monate lang gar keinen Film gedreht. Er plant grenzüberschreitende Projekte. Die in "Agogo Eewo" verwendete recht hoch auflösende Videokamera ist das Geschenk eines nigerianischen Mäzens. Kelani träumt von 35 mm.

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