Tuesday, October 18, 2005

Adalbert Stifter: Prokopus

Eine Rauminstallation. Das Schichten der Geschichte, nicht die Verknüpfung der Narratio. Schlicht bewegungsfeindliches Erzählen, Stillstellen und, als Fortgang, ein Ausgehenlassen. Drei Teile, bei weitem der umfangreichste ist der der „installatio“, ein Stellen der Dinge an ihren Ort. Stifter eröffnet mit der Differenz von ortsflüchtiger, ortsuchender Bewegung – der Hochzeitszug - und einem Am-Ort-Sein, das seine Richtigkeit hat. Der Weg und der Platz, das Ziehen und das Sein. Das Gasthaus der grünen Fichtau. Ein großes Plateau, auf dem Hunderte Platz finden. Es ist leer, es füllt sich, es leert sich. Ein Schauplatz, und der Erzähler richtet ihn ein. Kein Detail der Kleidung, keine Handlung im Kleinen bleibt unbeschrieben. Die Installation ist als Schichtung verlängerbar in Vergangenheit und Zukunft, daher der Ort des Erzählers an einer Stelle, die vor allem Überblick verschafft, bis ins winzigste Detail. Atemberaubend wird es, wenn er, mit der Sorgfalt eines großen Liebenden, seine Menschen am rechten Ort in der rechten Zeit zur Ruhe bettet und kein Haar an ihrem Kopfe unerzählt lässt.

Zum Unglück verurteilt, wie von vornherein, das Paar, das zieht, von hier nach da. An den falschen Ort vor allem, der keinen Überblick gewährt. Ein nebelverhangener Schauplatz voller künstlicher Einrichtungen, "wir schweben ja mit dem Berge nur in der Luft und rings um uns ist nichts". Was an der grünen Fichtau nach Maßgabe der Natur seinen Platz gefunden hat, muss in der Burg Rothenstein als artifizielle Maßnahme behauptet werden und bleibt deshalb kraftlos und verhängnisoffen. So die Tradition behauptende Reihe der Gemälde, in der Prokopus seinen Halt und seine Dauer nicht finden wird. Er fällt aus der Reihe, als alter Mann.

Mit einem einfachen Satz verhängt der Erzähler sein Urteil: "Das versprochene Glück ist nicht gekommen." So einfach ist das und kein Drama. Der Lauf der Dinge führt, qua Lauf, könnte man sagen, als Vergessen des Einrichtens, ins Unglück. Stifter entwirft die Anti-Novelle. Keine Aufgipfelung und Zuspitzung zum unerhörten Ereignis, sondern ein Ausmalen des Seins auf dem Plateau. Dagegen steht die Einmauerung im Turm, der Blick in die Sterne, die Einbettung in einen Zusammenhang, der kein menschlicher ist: die Äolsharfe, Musik des Windes, ein Verlust des Menschlichen an die Natur, die sich nicht schert. Der Fortgang mit wenigen Worten: "Es ist nicht mehr viel zu sagen." Die Lebensbeschreibung des Grafen bleibt unvollendet, ein Kreuz, ein abruptes Ende, mehr nicht. Ein Fortschreiben, wieder aus der Perspektive der Generation. Der ungeratene Sohn rafft das Schloss an sich. Nur die grüne Fichtau (grün/rot, Farbsymbolik der Differenz zwischen installierter Natur und nicht auszuhaltender Verbindung von Künstlichkeit und Rückfall an die blanke, blinde, zeit- und maßlose, nicht mehr installierbare Natur) hat eine Generationenperspektive, "Geschlechter um Geschlechter": "Es wohnt die Lust, die Gehäbigkeit und die Freude um dieses Haus."

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