Mit viel Gefühl, aber ohne Verstand
Der Wonnemonat Mai nähert sich, und in dem Film Kate &
Leopold treibt die Romantik seltsame Blüten. Seit ihrem lautstark
inszenierten Orgasmus in einem Schnellrestaurant - eine Szene aus dem Film
Harry und Sally - ist die amerikanische Schauspielerin Meg Ryan
auf die Rolle der niedlichen Blondine abonniert. Leichte Kost wie
Aufgelegt, E-Mail
für Dich und Schlaflos in Seattle zementierte
diesen Ruf. Ausflüge ins dramatische Fach blieben rar und eher unbeachtet.
Beim letzten Leinwandauftritt in Lebenszeichen - Proof of Life
rauschte es im Blätterwald der internationalen Presse hauptsächlich
wegen ihrer Affäre mit Hauptdarsteller Russel Crowe.
Regisseur James Mangold (Durchgeknallt, Cop Land)
bringt die 40-Jährige mit der Love-Story Kate & Leopold
auf sicheres Terrain zurück. New York im April 1876. Leopold, Herzog
von Albany, fällt bei einer Zeitreise in das New York des 21. Jahrhunderts
der taffen Marketingexpertin Kate (Meg Ryan) buchstäblich vor die
Füße. Derweil der unfreiwillige Gast mit den Tücken des Alltags
und den Errungenschaften moderner Technik kämpft, bereitet die ehrgeizige
Karrierefrau ihren Aufstieg in den Firmen-Olymp vor.
Der Australier Hugh Jackman
(X-Men,
Männerzirkus) mimt den charmanten Edelmann. Seine altmodische
Ritterlichkeit und seine wohl formulierten Gesprächsbeiträge bezaubern
die Damenwelt, und selbst die zynische Kate findet Gefallen an ihm. Nach
einigen Verwicklungen und einem Dinner bei Kerzenlicht geschieht das
Unvermeidliche: Die gestresste Businessfrau läuft ins romantische Lager
über. Das Glück währt kurz. Leopold muss zurück und Kate
sich entscheiden: zwischen der nächsten Stufe auf der Karriereleiter
oder dem Sprung in die gute alte Zeit.
Was wohl die 1862 geborene amerikanische Schriftstellerin Edith Wharton
zu dieser Romanze gesagt hätte? Wie der noble Gentleman lebte sie in
der Welt der New Yorker High Society. Zwei ihrer Romane, Haus Bellomont.
Die verlorene Leidenschaft der Lily Bart und Zeit der
Unschuld, erzählen vom standesgemäßen Verhalten von
Frauen in der damaligen Zeit - und von ihrem Scheitern bei ungebührlichen
Übertretungen. Männliche Ritterlichkeit und weibliche Entsagung
sind zwei Seiten derselben Medaille in der bürgerlichen Gesellschaft
des 19. Jahrhunderts. Die Zeiten sind hart für berufstätige Frauen.
Aber muss man sie gleich ins muffige viktorianische Jahrhundert
zurückschicken? Welch ein Fortschritt für Kate, die Beruf und Wahlrecht
aufgibt, um in Zukunft den Mann ihres Herzens zu Gartenpartys und Empfängen
zu begleiten. Eine romantische Komödie für all diejenigen, die
den Verstand an der Kasse abgeben und knapp zwei Stunden ein solide inszeniertes
Märchen erleben, das hoffentlich nie Wirklichkeit wird.
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