Sunil Dutt: Reshma aur Shera (Indien 1971)

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Sunil Dutt: Reshma aur Shera (Indien 1971)

 

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Sunil Dutt: Reshma aur Shera (Indien 1971)
Kritik von Ekkehard Knörer

 

Info mit Kaufgelegenheiten


[Image]Sunil Dutt ist in Indien berühmt als Schauspieler, nicht als Regisseur. Er ist - in Mother India - der Sohn, den die Mutter töten muss, um das Gesetz zu vollstrecken - Präfiguration des Vatermords in Reshma aur Shera, der das Szenario umkehren wird. Reshma aur Shera, mit einigem Aufwand gedreht, war ein großer Flop und de facto das Ende der Regisseurskarriere von Sunil Dutt. Erhältlich ist er beim sehr empfehlenswerten amerikanischen DVD-Versender Nehaflix: selbst wenn man die Versandkosten (ca. 7 $) mit einrechnet,  sind viele Bollywood-Filme dort zu sehr guten Preisen erhältlich. Die Filme sind in aller Regel englisch untertitelt und ohne Regionalcode- Einschränkung.

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Der Grundkonflikt: Romeo und Julia. Darübergeblendet aber, in Tragödienform, ein Essay über die Beendbarkeit der Rache, den Preis, der für ihr Ende zu zahlen ist, Erlösung durch weibliches Opfer, Umschrift der Tradition im Vatermord (nichts geringeres) und das Scheitern des Mannes, der zurückfällt in das Verbrechen, das zu bekämpfen er angetreten ist. Diese Tragödie, als Geschichte einer maßlosen, gesetzlosen Liebe ist hineingeschrieben in den Sand einer endlosen. Ein Problem schon hier: Die Umschrift ist, in aller Radikalität, verweht, im nächsten Moment.

Es beginnt mit der Setzung der Differenz, der Fehde - es folgt ein Aufschub, eine sofortige Entdifferenzierung. Ein Jahrmarkt, mitten in der Wüste, unübersichtliches Treiben der Riesenräder und Attraktionen, mitten darin Reshma, mitten darin Shera, aus dem bunten Treiben werden von der den Trubel, nicht Übersicht suchenden Kamera - oft Handkamera - erst nach und nach Beziehungsmuster aus dem Teppich der Farben, der Bewegungen herausgeschnitten. Oder: in ihn hineingewebt. Erste Begegnungen der Blicke, die getauscht werden, einmal, zweimal, dreimal, Großaufnahme, Zoom. Intensitätserzeugung durch Wiederholung, durch Insistenz. Dann wieder Bewegung, Flucht, Flüchtigkeit, Aufsuchen anderer Orte. Ein anderer ort der ersten Begegnung zum Dialog der erste Stock eines Gebäudes, Shera ersteigt ihn über den Rücken des Kamels. Säulen zäsurieren die Nähe, Reshma, die sich spielerisch entzieht. Im Hintergrund immer, Lichtfäden ziehend im Fenster, das Riesenrad. Die namenlose Liebe erhält ihren Namen und erweist sich als die verbotene Liebe schlechthin. Ein Kreislauf der Rache liegt auf den Familien, Sheras Schwur, ihn zu durchbrechen. Noch auf dem Jahrmarkt schreitet er zur Tat, fährt seinen blutdürstenden Brüdern in die Parade.

Der Film sucht keine Ortsbestimmung, die Wüste markiert vielmehr beinahe archaische Ort- und Zeitlosigkeit (Gegenstände wie eine Colaflasche, ein Transistorradio als in die Zeit, in den Raum gefallene Markierungen, an die sich kaum weitere Bestimmtheit anhaften kann). In diesen leeren Raum hinein aber zeichnet "Reshma aur Shera" eine sehr präzise Topographie. Die Fülle des Jahrmarkts (in der Wüste) hier, die Leere der Wüste da. Die feindlichen Lager, die Wüste als Zwischenraum. Die zweite Song- and Dance-Einlage - nach einer aufregenden ersten Annäherung, die Sheras Fantasie durch einen roten Armreif hindurch wirklich werden lässt - in einem Palast, der nicht mehr Jahrmarkt, noch nicht der Ort der Herkunft, der Familie ist, leer und somit reine Spielfläche für ein Spiel, zunächst, zwischen Waheeda Rehman und der Kamera. Sie flieht und kokettiert, die Kamera filmt aus der Ferne, aus der Nähe, gelegentlich zur Handkamera dynamisiert und intimisiert. An ihren Platz tritt dann Shera, aus dem Nichts, aus dem Off ins Bild, die Jagd um die Pfeiler setzt sich fort, nun als Liebesspiel. Sie bekennt sich zu ihm, er schwört der Rache ab.

Die Wüste als der Zwischenort, das Nichts, das ihnen Raum gibt. Raum zur Umschrift der Gesetze, die außerhalb dieses Nicht-Orts gelten - und deren Kraft auch innerhalb dieses Nicht-Orts spürbar wird, am Ende, wenn hier die letzte Aushandlung stattfindet, die Institution des neuen Gesetzes. In der Wüste vereinigen sich Reshma und Shera am Feuer. Vor flagranter Symbolik scheut der Film nicht zurück, fasst die Liebe ins tief zwiespältige Bild. Die Flamme lodert im Vordergrund, dahinter Reshma und Sherma, einander in den Armen, die Flamme der Liebe, Flamme des Todes, am Ende wird dieses Bild wiederholt, symbolisch und überführt von der Liebe in das Ende des Kreises der Rache, der nun durchbrochen ist. Reshma und Shera auf dem Wüstenboden, er lässt Sand über sie rieseln. Lass uns hier liegen für immer, sagt er, all das wird sich wiederholen, bewahrheiten in konsequenter Durchführung der Prämissen, die den Zirkel des Tragischen entwerfen.

Grandios, ein Spektakel für sich, sind die Tableaus der Wüste. Zehn Sekunden lang vielleicht ein stummes Bild: Den rechten Rand des Bildes rahmt Zweiggefinger hell vor schwarzem Hintergrund, darunter, als beinahe verschwindende Figur die rot gekleidete Reshma (schon in der Titelsequenz sieht man sie zunächst nur von hinten, rot, nur ein Kleid, sie dreht sich dann zur Kamera). Anderes Bild: Die Faszination der Hell-Dunkel-Rillen des Sandes, Annäherung an abstrakte Muster. Die Geschichte, die Figuren, die Tragik werden dann immer wieder wie zurückgeholt in die Bilder, in die der Film sich verlieren will. Der Himmel über der Wüste, vier fünf Einstellungen hintereinander, es will Tag werden, der Aufgang der Sonne. Der Film will das Monumentale, in den Bildern, in der Tragik seiner Geschichte. Er sucht, spürbar, Bilder für die eigene Größe, manchmal findet, manchmal verfehlt er sie (ist es dann Kitsch? vielleicht).

Und später, nach der Zäsur, die gewaltsam durch den wohl endgültigen Verlust von etwa zwanzig Minuten Film gesetzt wird, der Umschlag in Aushandlungsszenarien. Wie biegen wir den Kodex auf, wie widerstehen wir dem ehernen Gesetz, das auf uns lastet. Das Gesetz des Vaters, das hier zerstört wird. Und die Zerstörung, die als Fortsetzung desselben Gesetzes der Rache auf den Zerstörer zurückfällt. Der Ausbruch gelingt nur im Opfer der Frau, im schockierenden Verzicht auf jede diesseitige Erfüllung. Der Überlebende ist stumm, ein Ausgestoßener - als unschuldiger, als ganz und gar passiver Täter - aus der symbolischen Ordnung. Nur so kann er, als im Selbstopfer angenommener Ehemann zum Gründungsvater eines neuen Gesetzes werden, das nicht das des Vaters wäre, sondern das des Impotenten, des Schwächlings. Diesen Schritt ans Ende des Patriarchats geht der Film mit letzter Konsequenz.

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