Filmfestival Rotterdam 2002

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Filmfestival Rotterdam 2002

 

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31st International Film Festival Rotterdam 2002
 
Bericht von Sebastian Selig

 
TAkashi Miike: Ichi der Killer
Ichi der Killer
 
 Startseite1. und 2. Tag - 3. und 4. Tag - 5. und 6. Tag - 7. und 8. Tag

Tag 3:

Hotel (Italien, UK 2001 / Regie Mike Figgis)

Kannibalistische Fremdenführer, Salatblätter kauende, cholerische Dogmaregisseure, SM-Lesbensex und die Duchess of Malfi. Das Ganze natürlich in Venedig und mit noch mehr Hollywoodstars, die gegen ihr Image anspielen (Lucy Liu, Salma Hayek, John Malkovich und Burt Reynolds u.a.); inszeniert mit höchster erzählerischer und technischer Brillanz; sprich: TIMECODE war nur der Anfang – Figgis ist mal wieder ganz vorne mit dabei und zeigt einen Pioniergeist, vor dem man nur in die Knie gehen kann.

Hundstage (Österreich 2001 / Regie: Ulrich Seidl)

Seidls Venediggewinner gehörte natürlich auch in Rotterdam zu den ganz großen Highlights. In seinem Blick auf die unter einer Hitzeglocke brütenden Vorstadtidylle erinnert HUNDSTAGE ein wenig an die Arbeiten von Mike Mills oder Lynch, jedoch findet hier kein langsames Abtauchen in die Hölle mehr statt. Seidels Blick mag nicht weniger stilisiert sein als der von Lynch oder Mills (liebevoll arrangiert er seine Bilder mit einer an Kubrick erinnernden Detailbesessenheit), die Hölle ist aber in seiner Welt längst zum Normalzustand geworden, in welcher die Figuren zwischen stumpfer Melancholie und heftigsten Aggressionsausbrüchen hin und her pendeln. Seidel hat HUNDSTAGE über drei Sommer hinweg, überwiegend mit Amateurdarstellern gedreht und das Ganze hat alleine deshalb schon so lange gedauert, weil er drauf bestand nur bei echten Außentemperaturen ab 37 Grad loszulegen. Derzeit arbeitet er an einem Biopic über den 1818 in Wien gehenkten Mörder Johann-Gregor Grasel (Arbeitstitel: DER GRASEL), ein im übrigen über das Festival Rotterdam gefördertes Projekt.

A ma soeur / Fat Girl (Frankreich 2001 / Regie: Catherine Breillat)

War HUNDSTAGE schon ein Film, der von seinen Darstellern so manches abverlangte, so setzte Catherine Breillat (ROMANCE) mit ihrer bitteren Coming-of-Age-Story noch einen drauf. Titelgebendes FAT GIRL ist die 12 jährige Anaïs (gespielt von der von Breillat in einem McDonalds entdeckten Ana|s Reboux), die mit ihrer 15 jährigen Schwester (angeblich gerade volljährig: Roxane Mesquida) und den Eltern einen Sommer am Meer verbringt. Wie immer bei Breillat geht es natürlich um das Ringen um und mit dem Sex. Die ältere Schwester verliert (im übrigen vor den Augen von Anaïs) ihre Unschuld durch einen 25 jährigen Studenten, was der Film einerseits als beabsichtigten Missbrauch durch den Mann, andererseits aber auch als bewusste Entscheidung des Mädchens darstellt. Breillat versucht dabei wieder so weit wie möglich zu gehen. Nicht nur schwenken (wie schon in ROMANCE) mal wieder erregierte Penisse durchs Bild, aber sehr viel mehr noch geht es Breillat darum das Innenleben ihrer Figuren und gerade das der Mädchen bloß zu legen. Ihre Absicht mag von dem Willen und Mut zur Ehrlichkeit angetrieben sein, erlöst einen aber nicht von dem Eindruck, das Ganze könne sich für die Darsteller als im Vorfeld nicht zu überschauen gewesene traumatische Erfahrung entwickelt haben. Ein Eindruck, den die Regisseurin selbst, nach dem (im übrigen super harten) Ende ihres Films im Gespräch mit dem Publikum eher noch bestätigte, als sie z.B. von der zum Teil bewussten Manipulationen der Eltern berichtete, die den Dreharbeiten natürlich erst zustimmen mussten.

Eintrag Catherine Breillat im Auteur-Lexikon

Avalon (Japan 2001 / Regie: Mamoru Oshji)

Der in Rotterdam gezeigte erste Realfilm des mit dem Animeklassiker GHOST IN THE SHELL auch im Westen zu einiger Berühmtheit gelangten Mamoru Oshji, gehört zu der Art von ambitionierten kleinen SF-Filmen, wie man sie leider viel zu selten sieht. Mit vergleichsweise beschränkten Mitteln in Polen, mit polnischen Darstellern und auch in polnischer Sprache gedreht, (was dem postapokalyptischen Look and Feel des Films sehr entgegen kommt), erzählt der Film von Mara (Malgorzata Foremniak) die ihrem trostlosen Leben in der virtuellen Welt eines Computerspiels zu entkommen versucht bis dieses zunehmend von ihrer Wirklichkeit Besitz zu ergreifen scheint. Hierbei verknüpft der Film auf intelligente Weise Elemente aus Cronenbergs EXISTENZ mit Motiven der Arthus-Saga. Die Special Effects und Sets sind vom feinsten und auf der Tonspur schmettern russische Chöre dass einem einfach nur das Herz aufgehen kann.

Tag 4:

Kaïro / Pulse (Japan 2001 / Regie: Kiyoshi Kurosawa)

Neben Cronenberg gibt es unter den dem Horrorfilmgenre zugerechneten Regisseuren derzeit sicherlich keinen so spannenden wie intelligenten Filmemacher wie den, hierzulande sträflicher Weise bislang nur auf einigen Festivals zu sehen gewesenen Kiyoshi Kurosawa. Wie häufig bei ihm ist der Ausgangspunkt der in PULSE erzählten Geschichte im Grunde ein recht simpler. Ein junger Mann stößt im Internet auf eine Reihe seltsamer Webcambilder, die verschiedene, apathisch dasitzende Menschen zeigen. Irgend etwas scheint hier nicht zu stimmen und bald darauf fangen Computer auch schon an sich von alleine einzuschalten und die Menschen auf den Bildschirmen beginnen sich auf einen zuzubewegen.

Was zu einem mehr oder weniger simplen Horrorthriller in der Tradition von THE RING hätte werden können, entwickelt sich unter den Händen von Kurosawa zu einer Allegorie der Einsamkeit, die sich langsam aber unaufhaltsam zu einem apokalyptischen Finale steigert, welches einem wahrlich die Luft rauben kann.

Jump-Cut-Kritik zu Cure

Adress Unknown / Soochwieen boolmyung ( Südkorea 2001 / Regie: Kim Ki-Duk)

Lässt man die ganzen Klischees des sogenannten „World Cinema“ (oder soll man sagen „Dritte Welt Kinos“) vor dem inneren Auge Revue passieren, so ist man recht schnell bei der Geschichte des armen, in einem Slum lebenden Arbeiterjungen, der sein Geld mit Teppichknüpfen (wahlweise auch in der örtlichen Bleimiene) verdient, in seiner spärlichen Freizeit jedoch Portraits von Vögeln zeichnet (mit einem kantigen Stück Kohle natürlich und auf die weggeworfene Rückseite eines Bananenkartons). Von der Ferne liebt er die Tochter seines Nachbarn, mit der er schon in der Kindheit zusammen Frösche aufgeblasen hat und die jetzt natürlich von ihrem sadistischen Bruder auf den Strich geschickt wird. Sein einziger Freund ist der von allen anderen Slumbewohnern wahlweise wegen seiner Herkunft oder einer Behinderung verachtete Müllsammler, der mit seiner Mutter, einer spirituell veranlagten Frau, am Rande des Slums in einer Blechhütte lebt.

Irgendwie erzählt auch Kim Ki-Duks Nachfolger zu THE ISLE eine solche Geschichte, aber er wäre nicht der Wahnsinnige der er ist, wenn beim ihm die nach Betroffenheit schielenden Sozialpädagogen nicht bereits nach wenigen Minuten mit der Hand vor dem Mund aus dem Kinosaal stürmen würden.

ADRESS UNKNOWN beginnt mit einer Szene in der einem etwa fünfjährigen Mädchen von ihrem Bruder ins Auge geschossen wird, darauf folgt eine Szene in der zwei Männer einen Hund schlachten, indem sie ihn mit einer Schlinge um den Hals an einem Ast hochziehen um ihn daraufhin mit einem Baseballschläger zu erschlagen und ab dann wird im Grunde alles schlimmer.

Es fallen einem wenig Filme ein, die von einer vergleichbaren Wut angetrieben werden, doch scheint diese bei diesem Thema auch nicht völlig aus der Luft gegriffen.

Sicherlich der härteste Film dieses Festivals, der einen zudem nachhaltig für das romantisch verklärtere Dritte Welt-Kino zu verderben versteht.

Jump-Cut-Kritik zu The Isle (1999)
        Jump-Cut-Kritik zu Bad Guy (2001)

Sex and Lucia / Lucía y el sexo (Spanien 2001 / Regie: Julio Medem)

Wieder einer den es hierzulande noch entsprechend zu entdecken gilt. Gut, DIE LIEBENDEN DES POLARKREISES lief mit gerade mal 2-3 Kopien auch bei uns im Kino und tauchte trotzdem zu Recht bereits in manchen Top 10 Listen der besten Filme des vergangen Jahres im Feuilleton auf, aber wie konnte man bitte schön TIERRA und LA ARDILLA ROJA übersehen? Wenigstens in irgendeinem Dritten Programm nach 23 Uhr hätte es die doch zu sehen geben müssen, schließlich gehört Julio Medem, neben Almodovar längst zur international anerkannten Speerspitze des neuen spanischen Kinos und seine Filme sind sogar noch in höchstem Maße unterhaltsam und zugänglich.

Mit SEX & LUCIA dürfte Ihm allerdings nun endlich auch bei uns ein breiter Arthouse-Erfolg ins Haus stehen. Wie bei den LIEBENDEN DES POLARKREISES wird auch hier die Geschichte einer leidenschaftlichen Liebe erzählt, bei der allerlei schicksalhafte Verwicklungen dazwischenfunken. Medem empfindet mal wieder eine besonders große Freude daran in seinem Film Gott spielen zu können und seine Helden von einer schicksalhaften Fügung in die nächste stolpern zu lassen (was ihm zu Recht manchen Vergleich mit den Arbeiten von Tom Tykwer beschert hat), doch gleichzeitig strahlen seine Filme (und SEX & LUCIA tut dies ganz besonders) auch wieder eine derart pure und ungekünstelte Lebensfreude aus, dass man sich bei dieser engen Verknüpfung von Konstruktion und Charme sehr viel stärker noch an Caros AMELIE erinnert fühlt. Mit dessen braver Postkartenidylle hat Medem allerdings eher wenig am Hut. Bei SEX & LUCIA dürfte es ihm zudem als erstem Vertreter des europäischen Kinos gelungen sein, an Deutlichkeit nichts im Dunkeln lassende Sexszenen gleichermaßen unbefangen wie unaufgesetzt in eine geschlossene Handlung zu integrieren.

Ichi the Killer / Koroshiya 1 (Japan 2001 / Regie: Takashi Miike)

Von vielen der mit der größten Vorfreude verbundene Film des Festivals. Ich habe alleine vier Leute getroffen, die ihre Abreise um einen Tag verschoben haben, nur um ICHI sehen zu können und auch beim zahlenden holländischen Publikum scheint Miike spätestens seit AUDITION hoch im Kurs zu stehen. Der Film wurde in Rotterdam in einem rund 1000 Sitze starken Kinopalast vor ausverkauftem Haus gespielt und als dann der Meister selbst (begleitet von seinem Hauptdarsteller Tadanobu Asano) vor Filmbeginn auftrat rastete die Menge vor Begeisterung derart aus, wie ich es seit dem Auftritt von Peter Jackson beim „Howl - Weekend of Fear“ vor 10 Jahren in Nürnberg nicht mehr erlebt habe. Dieser hatte damals BRAINDEAD zum ersten Mal in Deutschland vor einer, den Saal bis zum Anschlag füllenden Menge von Nerds präsentiert, die ihn anschließend quasi auf ihren Händen aus dem Kino trugen. Also, Vorfreude wohin man sah und ein sichtlich gerührter Miike, der sich spontan entschloss bis zum Schluss im Kino zu bleiben.

Wie bereits groß angekündigt (dem Presseheft war sogar eine mit ICHI-Logo bedruckte Kotztüte beigelegt) geht Miike mal wieder in die Vollen und versucht erneut die Grenzen seiner Zuschauer auszuloten. In der ersten Szene schlägt ein Zuhälter sein Mädchen auf das brutalste zusammen, während sich im Gewitterregen von draußen eine dunkle Gestalt nähert. Der Fremde trägt einen an ein Superheldenkostüm erinnernden schwarzen Plastikanzug mit einer leuchtenden Eins auf dem Rücken, doch anstelle einzugreifen und den Retter zu spielen, sehen wir wie er bei dem Anblick zu onanieren beginnt. Sein Samen, der zwischen die Blumentöpfe auf den Boden spritzt bildet den Titelschriftzug: ICHI THE KILLER.

Dieser Ichi ist ein kleiner unsicherer Otaku, der es nicht überwinden kann, dass er damals erregt wurde als ihn ein paar Klassenschläger zwangen bei der Vergewaltigung einer Mitschülerin zuzusehen. Schon damals wollte er das Mädchen eigentlich retten, wurde aber durch seine Erregung zurückgehalten. Seit dem kann man ihn in einen regelrechten Blutrausch treiben, wenn man ihm einredet, es handele sich um vergleichbare Täter wie damals. Eine kleine Organisation, welche das Ziel verfolgt zwei Yakuza-Banden gegeneinander auszuspielen, bringt Ichi dazu den Anführer einer der Banden zu töten. Dessen rechte Hand ist der schmerzbesessene Yakuza-Killer Kakihara (von Tadanobu Asano in buntem Pimp-Look, mit aufgeschnittenen Backen, die von ein paar Ringen nur notdürftig zusammengehalten werden, kongenial verkörpert), der nun die Aufgabe bekommt seinen Chef zu finden (Ichi hat ihn regelrecht kleingehackt, so das die Leiche unauffindbar bleibt) und die vermeintlichen Entführer zu stellen. Kakihara zeigt sich recht schnell vom Sadismus Ichis in höchstem Maße fasziniert, findet er doch selbst niemanden der bereit wäre seine masochistischen Grenzen auszuloten. Kann Ichi derjenige sein, der Kakihara endlich sein, von ihm selbst so lange herbeigesehntes grausames Ende beschert?

Miike inszeniert diese Geschichte über weite Strecken als geradezu ausgelassen fröhliches Splattercomic, mit absurd übersteigerten Gewaltexzessen im Stil von BRAINDEAD oder STORY OF RICKY, doch ist ihm die Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung seiner Figuren durchaus ernst. Auf geradezu geniale Weise gelingt es Miike in ICHI die Traurigkeit als festen Bestandteil zunehmend stärker mit dem absurd Übersteigerten zu verknüpfen und mal wieder zwischen sämtlichen Stühlen sitzend mit allen Sehgewohnheiten und Genrekonventionen zu brechen.

Jump-Cut-Kritik zu Audition

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