Eyal Sivan, Audrey Maurion: Aus Liebe zum Volk (F 2003)

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Eyal Sivan, Audrey Maurion: Aus Liebe zum Volk (F 2003)

 

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Eyal Sivan, Audrey Maurion: Aus Liebe zum Volk (F 2003)
Kritik von Ekkehard Knörer

  

"Found Footage“ ist gefundes Filmmaterial – oder eher: angeeignetes. Es geht um einen Wechsel der Autorschaft. Wer „found footage“ verwendet, einsetzt, sich aneignet, enteignet zugleich den ursprünglichen Produzenten, löst es aus dem Kontext seiner Entstehung und übernimmt, ob er will oder nicht (und meist ohne Einwilligung des ursprünglichen Produzenten) die Verantwortung für den neuen Sinn, den der neue Kontext gibt. Der Umgang mit „Found Footage“ ist ein erprobtes Konzept im experimentellen Film, es ist eine Reaktion auf die Tatsache – falls es eine Tatsache ist -, dass wir stets schon mit vorgeformten Bildern konfrontiert sind noch da, wo wir neue zu produzieren glauben. Schon mancher, der Neues zu erfinden glaubte, fand nichts weiter als das Klischee, das es schon längst gab. „Good Bye Lenin“, dessen weltweiter Erfolg auf der Berlinale des letzten Jahres seinen Ausgang nahm, war genau das: Die Neuerfindung der DDR als das Klischee ihrer selbst.

Auch die Regisseure Eyal Sivan und Audrey Maurion nähern sich der DDR – und sie nähern sich ihr über „Found Footage“. Zu den Bildern, die nicht die ihren sind, die sie aus den Archiven geholt haben, Fernseh-Archiven und Stasi-Archiven, kommt ein Text, der selbst „found footage“ ist, die Notizen eines Offiziers der Stasi, verfasst im Moment der Wende, erschienen schon im Jahr 1990. Dieser Text, den der Film sich aneignet, den Axel Prahl liest, gibt den Leitfaden, die narrative Schnur, auf die die Bilder gefädelt werden. Der Stasi-Mann erzählt sein Leben. Er glaubt an den Sozialismus, auf dessen Ende er mit Sarkasmus, Verunsicherung und Verzweiflung reagiert. Es gibt Einblicke in Details der operativen Tätigkeit, notiert werden berufliche Erfolge wie Misserfolge, Privates, soweit es damit zusammenhängt. Man erfährt nichts aufregende Neues, aber doch Interessantes über inoffizielle Mitarbeiter und offizielle Sprachregelungen.

Entscheidend ist nun der Akt des Rearrangements des aus verschiedensten Kontexten her Angeeigneten, ist die Rekontextualisierung von Text und Bild im neuen Zusammenhang, zu dem Film, den wir sehen. Auf den ersten Blick passt alles bestens zusammen, die Komposition erzeugt nichts als Harmonien. Der Text spricht von dem Eindringen in Privatwohnungen, was man sieht: Zwei Stasi-Mitarbeiter dringen in eine Privatwohnung ein. Wir hören vom Volk auf der Straße, wir sehen das Volk auf der Straße, wir hören von der Familie, zu sehen sind Aufnahmen eines Propagandafilms aus dem zehnten Jahr der DDR, die Mutter stellt die Torte auf den Tisch. Und immer wieder Material von geheimen Aufzeichnungen, bis hin zum offenbar konterrevolutionären Ehebruch. In der Aneignung verlieren die gefunden Bilder den Ort ihrer Herkunft und werden zur Illustration des Textes, auf den der Film sie stoßen lässt. Dieser Zusammenstoß ist der Ort der Regie. Die Energien, die er entbindet, entscheiden darüber, was der Film zu sagen hat.

Was die Regisseure zu sagen haben ist klar, sie teilen es einem im beigegebenen Handout mit: „Unser Ziel ist es, die Zuschaueransichten über die Fähigkeit von Bildern, ‚die Wahrheit’ auszudrücken, in Frage zu stellen und der Illusion entgegen zu wirken, man könne die Wirklichkeit über den Umweg einer Darstellung von ihr erkennen.“ Es geht also um Zuschauerpädagogik. Daran, dass die Bilder zusammenpassen, obwohl diese Passgenauigkeit eine durch Aneignung und Rearrangement künstlich, im Ein- und Zugriff erst hergestellte ist, soll der Betrachter erkennen, dass der Dokumentcharakter der Bilder, von deren Herkunft er nichts erfährt, täuscht. Nicht die Bilder, nicht der Text, sondern die wunderbare Harmonie von Bild und Text sollen irritieren. Es fragt sich allerdings, ob dieser Effekt tatsächlich eintritt. Ob nicht die Bilder in ihrer Illustrativität aufgehen und ob nicht gerade die Irritation ausbleibt. Ob sie nicht – gegen die erklärte Absicht der Regisseure – die Illusion einer dem Archiv geschuldeten Verfügbarkeit des Bildes als Zeugnis erst erzeugen. Es fragt sich, ob der Film sich gegen eine solche klischierende Lektüre tatsächlich zu sperren vermag. Mein Eindruck ist: nein. Damit aber wäre er auf ganzer Linie gescheitert.

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