Schwerpunkt Südkorea: Park Chan-wook: Sympathy For Mr. Vengeance (Südkorea 2002)

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Park Chan-wook: Sympathy For Mr. Vengeance (Südkorea 2002)

 

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Park Chan-wook: Sympathy For Mr. Vengeance (Südkorea 2002)
Kritik von Ekkehard Knörer

[Image]
zum Südkorea-Schwerpunkt

zum Eintrag im Kleinen Lexikon asiatischer Regisseure

Mit seinem komplexen Polit-Thriller JSA (Joint Security Area) war dem südkoreanischen Regisseur Park Chan-wook vor zwei Jahren nicht nur, bei besten Kritiken, der größte Box-Office-Erfolg der Kinogeschichte in seiner Heimat gelungen, der Film lief auch - wenngleich ohne große Resonanz - im Wettbewerb der Berlinale und erhielt hervorragende Kritiken bei seiner Kinoauswertung in Deutschland. Um den emotionalen Kern einer streng verbotenen Freundschaft zwischen je zwei nord- und südkoreanischen Grenzposten herum baute Park einen verschachtelten Krimi mit Rashomon-Anklängen. Dem Genre gemäß gab es eine Bewegung in Richtung Aufklärung des "Falles" - die aber führte ganz unerwartet nur immer rettungsloser zum kompletten Scheitern aller Beteiligten. Nach dem riesigen Erfolg seines Films hatte Park carte blanche für sein nächstes Projekt und verfilmte mit zwei der Hauptdarsteller aus JSA, aber nun ohne alle Rücksicht auf Verluste, ein Skript, für das er einst - seine beiden ersten Filme waren kommerzielle Flops gewesen - keine Geldgeber gefunden hatte. Sympathy For Mr. Vengeance ist deutlicher als JSA ein Genre-Werk, aber ohne das mindeste Zugeständnis ans Publikum. Vorbilder sind hier düstere Noir-Autoren wie Jim Thompson oder Derek Raymond, die ihre Geschichten von verzweifelten Personen in aussichtlsosen Lagen in einer gottverlassenen Welt im Pulp-, jedenfalls Genre-Format erzählt haben. Diesen Einflüssen folgend, vermeidet Park jede Emotion, verweigert die Identifikation mit den Figuren, kompromisslos führt er eine Geschichte, die finster beginnt, immer tiefer hinein in Verstrickungen, aus denen sich keiner der Beteiligten mehr befreien kann.

Am Anfang steht Ryus Wunsch zur guten Tat. Seine Schwester ist schwer nierenkrank, er - taub und stumm von Geburt - schuftet in einer Fabrik, um das Geld für eine Spenderniere zusammenzubekommen. Er wird entlassen, ein wenig freundliches Bild des Kapitalismus im Niedergang zeichnet der Film wie nebenbei. In seiner Verzweiflung lässt Ryu sich ein auf illegalen Organhandel, verliert dabei nicht nur sein Geld, sondern selbst eine Niere. Angetrieben von seiner Freundin, die anarchistisch-kommunistische Flugblätter verteilt, verfällt er auf die Idee einer Entführung. Erst fassen sie die Tochter seines Chefs ins Auge, dann die eines anderen Geschäftsmannes. Dabei läuft schief, was schief laufen kann, beinahe jedenfalls. Das Geld zwar haben sie, das Mädchen aber ist tot, der Vater, der sein Liebstes verloren hat, ist ihnen auf den Fersen. Park erzählt das langsam, kommentarlos, in Einstellungen, die auf Distanz bleiben. Zwei Männer begleiten Ryu für die illegale Operation hinaus aus der Stadt ins obere Stockwerk einer unfertig herumstehenden Häuserruine. Die Kamera hält als Halbtotale ins Gegenlicht und zeigt die schwarzen Umrisse der Männer auf der frei liegenden Treppe, einmal und, einen Stock höher, noch einmal. Das ist das Emblem des Blicks auf die Figuren. Näher kommt man ihnen auch in Close Ups nicht, die Kälte der Verhältnisse sitzt ihnen in den Gliedern und in den Mienen. Der Showdown, das wundert nicht, findet statt im eiskalten Wasser (auch das Wasser übrigens ein Leitmotiv).

Zur Dauer der Einstellungen kommt die Lust an der Fragmentierung der Narration. Nicht an den Zusammenhängen scheint der Film interessiert, sondern am isolierten Augenblick. Herausgearbeitet werden Momente der Gewalt, die zugefügt wird, der Trauer, die kaum Ausdruck finden kann, über Verluste. Bewusst werden die Abläufe verwirrt, kaum investiert Park in die psychologische Plausibilisierung der Figuren. Es geht ihm ganz abstrakt um das Elend, das den Verhältnissen, dem Zufall, auch der Überwältigung durch die Trauer geschuldet ist. Ryu, der seine Schwester verliert, Don-Jin, dem nach dem Tod seiner Tochter nichts mehr bleibt, sind keine Unmenschen. Sie werden dazu. Auch dafür findet Park ein Sinnbild, nein: ein Sinn-Geräusch - wie überhaupt Geräusche, kurze Momente der Ausblendung des Tons, der sehr sparsame Einsatz dann aber höchst disharmonischer Musik von großer Bedeutung sind. Zweimal sehen wir Dong-Jin im Leichensaal. Beim ersten Mal hält die Kamera auf sein tränenverschmiertes, schmerzverzerrtes Gesicht. Unter klar vernehmlichen Säge- und Knackgeräuschen wird der Leichnam seiner Tochter geöffnet. Beim zweiten Mal dieselbe Prozedur, diesmal aber der Körper von Ryus Schwester. Starr und unbewegt die Miene Dong-Jins.

Park setzt auf Externalisierung des Innenlebens seiner Figuren. An die Stelle des Mitgefühls tritt so der Blick auf massive Verletzungen des Körpers. Die Verzweiflung eines gefeuerten Arbeiters findet ihren Ausdruck in dessen Selbstverstümmelung: mit einem Teppichmesser versetzt er sich Schnitte in den Bauch, das heraustretende Blut verlangt nicht nach Deutung und produziert nicht Tränen des Mitgefühls. Es ist nicht Symbol, sondern nüchtern betrachtete Anklage, ein Schrei der Verzweiflung ohne jede Beimischung von Sentimentalität. Diese Zurichtung des Körpers - als erste des Films - präfiguriert die Schnitte der Obduktion. Statt Emotionen, könnte man sagen, produziert Park Schnitte und Blut, mit aller Konsequenz. Die Wirkung ist - darin liegt ein gewaltiger Unterschied zu manchem Splatter-Schlachtfest - niemals berauschend, sondern, trotz des gelegentlich aufblitzenden schwarzen Humors, immer ernüchternd. Zu schade nur, dass im letzten Viertel des Films die bis dahin ohne eigentliches Zentrum in Fragmente geschnittene Geschichte in die Konvention eines Zweikampfs zurückfällt. Ryu und Dong-Jin, Schicksalsgenossen, Todfeinde aus nächster Nähe tödlicher Verwundung, Mr. Vengeance der eine wie der andere, treten an zum letzten Gefecht. Das, und sonst kaum etwas an diesem Film, hat man schon gesehen.

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