9/23/2004

behauptungsnaturalismus

Weil sie hier noch nicht erwähnt, aber äußerst lesenwert sind, der Hinweis auf zwei Texte zu Eichinger/Hirschbiegels "Untergang"film.

Diederich Diederichsen in der "taz" vom 15.9.04 mit u.a. sehr klugen Beschreibungen der Schauspieltechniken der beteiligten Darsteller und deren Herkunft aus dem Geiste der deutschen Fernsehunterhaltung:

"Statt aber andere Fragen zu stellen, belässt es "Der Untergang" bei der Psychologie der Fernsehunterhaltung. Die hat aber längst eine strukturelle Moral. Allerdings eine, die sich an keine historischen Einsichten mehr andocken lässt, sondern nur an Kategorien wie Rabenmutter oder an die Autorität eines SS-Arztes, der die Kräfte des menschlichen Deutschlands da um sich sammelt, wo schon lange das ideologische Zentrum der deutschen Fernsehunterhaltung steht: im Krankenhaus."

Ekkehard Knörer im "perlentaucher" vom 22.9.04 über den "Untergang"film als Prototyp von Behauptungsnaturalismus und "Debatten-Kunstwerk".

"Man müsste als Filmkritiker nicht viel über ihn sagen, wäre er nicht der Anlass zu jenem merkwürdig hohlen Debatten-Kunstwerk, zu dem der sich um ihn rankende Diskurs geworden ist. Es kreißt eine Maus und gebiert Titelbilder, ellenlange Interviews und Feuilleton-Leitartikel. Das Missverhältnis zwischen Qualität des Films und Quantität des Geredes ist so eklatant, dass sogar der Film wieder der Untersuchung wert scheint, und sei es nur als Symptom. In der Analyse wäre womöglich etwas zu lernen darüber, wie ein Film auszusehen hat, um zum Gesprächsstoff für Debatten zu taugen, die wohl Anlässe brauchen, aber keinen vernünftigen Grund. Es wäre festzustellen, dass gerade der - in diesem Fall fast schon gemeingefährliche - ästhetische Biedersinn den "Untergang" zur Diskussion in der Öffentlichkeit prädestiniert. Wenn dieser Film tatsächlich ein "wichtiges Datum unserer Verarbeitungsgeschichte" (Frank Schirrmacher) ist, dann hat "unsere Verarbeitungsgeschichte" von Kino, Kunst und Ästhetik nicht die leiseste Ahnung."

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