Backlist: Orson Welles: F wie Fälschung

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Backlist

Orson Welles: F wie Fälschung

(F for Fake, 1975)

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Orson Welles hat sich einen Dokumentarfilm vorgenommen über den Kunstfälscher Elmyr, der weitere hundert Namen trägt, und hat ihn, man kann es nicht anders sagen, einer sagenhaft gründlichen Dekonstruktion unterzogen. Die Wirklichkeit, die einst, mit Aufnahmen von der Insel Ibiza, hineingesteckt und vom Filmer Francois Reichenbach auf Zelluloid gebannt wurde, kommt, nach Schnittbearbeitung, Kommentierung, Montage von Orson Welles als Essay am Ende wieder heraus, der einen noch am flüchtigsten Dokumentargehalt des Dargestellten zweifeln lässt. Dabei ist ja alles wahr, vermutlich. Elmyr hat hunderte von Postimpressionisten gemalt, mutmaßlich darunter eine ganze Reihe der echten (jetzt etwas schelmisch formuliert). Auch die aberwitzige Geschichte um seinen Biografen Clifford Irving ist nicht erfunden, nur, ist anzunehmen, das eine oder andere Element der Elmyr-Biografie. Dass aber Irving eine Dreiviertelmillion Dollar für eine, wie als gesichert gelten darf, völlig hochgestapelte authentische Begegnung mit der Legende Howard Hughes, um ein Haar erhalten hätte, auch das entspricht ganz den Tatsachen. Die Experten übrigens haben nicht nur jede Menge Elmyrs, sondern auch Hughes' gefälschte Unterschrift als über jeden Zweifel erhaben zertifiziert.

Signaturen, überhaupt. Ihnen gilt, als wäre es ein Stück von Derrida, das ganz besondere Interesse von Welles. Sie sind das, was eine richtige Fälschung erst zur richtigen Fälschung macht. Elmyr setzt die Signatur von Orson Welles auf ein Gemälde, sonst verbrennt er gerne Picassos. Die Frage stellt sich, F wie Fälschung stellt sie, aber als Kipling-Zitat, was die Kunst zur Kunst macht, wenn doch vieles schön ist. Ist es wirklich die Signatur? In einem der wenigen Momente, in denen der Film vom Register der hinterlistigen Ironie in das des Pathos umschaltet, wird er zur Feier der Kathedrale von Chartres, die ganz unscharf und auch nur in Ausschnittperspektiven und Dunkelheit in den Blick genommen wird. Sie hat keinen Autor. Außerordentlich präsent hingegen in F wie Fälschung ist, als Rückseite des Kompositcharakters des Ganzen, die mächtige Figur von Orson Welles, der - als gebe es durchlässige Membranen zwischen Leben und Werk und Werk und Werk - zigarreschmauchend in schwarzem Umhang und mit schwarzem Hut verschmitzt kommentierend als seine eigene Ikone und als schwarze Eminenz des lustvoll angerichteten Durcheinanders von Fakt und Fiktion an allen Ecken auftaucht (von Ibiza bis Chartres), um immer mehr Dunkel ins Licht zu bringen. Wort und Bild stehen dabei in mal lockerem, mal ironischem, mal schlicht rätselhaftem Verhältnis zueinander. Der Film springt hin und her zwischen Dokumentation und Rückgang aufs Material: Ausschnitte werden in die Distanz der Betrachtung auf einem Monitor gebracht, dann ist Orson Welles in einem völlig realistischen, gar nicht allegorischen, Emblem der Herstellung dieses Films immer wieder am Schneidetisch platziert, als Fix- aber wohl kaum archimedischer Punkt des Durcheinanders von Reflexion, Interview, „authentischem" Bild, Montagen, Rückblicken, Erzählung.

F wie Fälschung ist aber ein Film mit einem Sprung, einem Riss, den auch Orson Welles nicht kitten konnte (obwohl er es versucht). Dieser - ästhetisch überhaupt nicht schlimme, einfach nur zu konstatierende - Riss trägt einen Namen: Oja Kodar. Sie hat in diesem Film, streng genommen - aber diese Strenge ist, wie gesagt, unnötig, dieser sehr spielerische Film legt sie ganz und gar nicht nahe - nichts verloren. Die bizarre Erzählung von Picasso und ihrem Großvater fügt dem Essay nichts hinzu; es geht Welles mit Oja Kodar nur um ihre Präsenz, um die Feier ihrer Schönheit - und mitunter schrammt er in den Mitteln, die er wählt, an Geschmacksgrenzen entlang. Man ist aber fast versucht zu sagen, dass hier, in diesem ganz singulären Fall, so etwas wie Größe in diesem durchsichtigen Manöver liegt, bewegend ist es ohnedies. Welles' oftmals ganz ironisches Selbstporträt als Magier ist einfach beim Wort zu nehmen: bei aller Grandezza und allem Genie hat er gelegentlich Freude an den schlechten Tricks, an der Betonung des Trick-Aspekts und an der oftmals in bewussten Camp hinübergleitenden Übertreibung der Schauwerte. All das aber, also auch das Wissen darum, ist immer schon mitreflektiert, ohne dass es daran etwas zurückzunehmen gäbe. Fantastisch der letzte Trick: der schwebende Großvater, ein Ruck - und er ist weg, als wäre nichts gewesen.


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