Thursday, August 31, 2006

Adalbert Stifter: Der Tod einer Jungfrau

Eine postmortale Schadensbilanz, in der Sprache der Engel. Der Jungfrau, die starb, blieb das Leben erspart: "Sie hat nichts verloren, sondern gewonnen". Jungfräuliche Tugendengelhypostasen: "Engel der Tugend", "Engel der Hoffnung", "Engel der Schönheit". Das Böse bleibt aus, die Gnade des frühen Tods. Den Schaden hat, wer hinterbleibt. Der Todesengel aber, als Erscheinung, mahnt zum Währungsbewusstsein. Schmerz ist recht, Trauer ist es nicht, denn Trauer trauert um den eigenen Verlust und stellt das Glück im Jenseits nicht in Rechnung. Die Ökonomie des Textes selbst scheint eine der Aufhebung des Verlusts an Zukunft durch den schmerzlichen Trost. Der erste Absatz benennt, auf Gedankenstriche zulaufend, mehrmals das Abrupte des Endes: "- alles, alles ist abgeschnitten und dahin", "- ist dahin". Dann aber Auftritt Engel, Mahnung Engel, Trost Engel übers Ende der "langen Krankheit vor ihrem Tode". Stiftersche Existenzbilanzbuchhaltung: Hinieden nichts als Soll und im Jenseits das reine Haben. (Erstmals veröffentlicht im Oesterreichischen Volksblatt für Verstand, Herz und gute Laune.)

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