Thursday, January 04, 2007

Jose Maria Eca de Queiroz: Vetter Basilio

Die Romane sind's, die die Heldinnen von Romanen ins Verderben stoßen im 19. Jahrhundert. Emma Bovary und auch Eca de Queiroz' Heldin Luiza Carvalho sind vergiftet und fiebern, lange bevor sie sterben. Dem Tode geben sie sich anheim in dem Moment, in dem sie der Sucht verfallen, die die Lektüre ist, und zwar von Liebesromanen und Historienschmonzetten, die das Leben nicht zeigen, wie es ist. Das Gegengift in Romanform, "Madama Bovary" und "Vetter Basilio" kommt zu spät, mit Notwendigkeit: nichts als Monumente des Tods durch Literatur. Luiza ist nicht dumm und sie ist schön und sie ist, anders als Emma Bovary, durchaus glücklich verheiratet. Dann aber ist der Mann aus dem Haus, auf Dienstreise in die Provinz – nicht dass Lissabon bei Eca de Queiroz nicht auch immer Provinz wäre, aber es gibt da Grade und Stufen – und, als hätte sie ihn herbeigeträumt, taucht Vetter Basilio auf, den sie einst liebte, der in Schulden geriet und nach Brasilien ging. Nun laufen die Geschäfte, nun kehrt er zurück, nun steht er vor der Tür, nun macht er Luiza schöne Augen, nun sagt er zu sich, im Stillen, aber der verlässlich bösartige Autor reibt es uns unter die Nase: "'Ran!' rief er lüstern. 'Ran wie Sant'Iago an die Mauren!" Gesagt, getan, in einem elenden Zimmer im eher nicht so noblen Viertel, in einem eher nicht so noblen Haus mit dem ironischen Namen "Paradies", treiben sie es miteinander, lustvoll erst, ein wenig lustlos später. Inspiration ist nicht zuletzt eine gute Freundin, die ihren langweiligen Ehemann mit Regelmäßigkeit hintergeht. Und dann ist der Ehebruch auch in der Literatur vielfach beschrieben. Es wird getuschelt, aber das wäre nicht weiter schlimm. Schlimm ist, dass die Dienstmagd Juliana Briefe in die Finger bekommt und Briefe stiehlt, die an eindeutiger Leidenschaft nichts zu wünschen übrig lassen. Eca de Queiroz zeichnet Juliana als faszinierendes Monster. Als eine, die von Neid zerfressen ist, hässlich wie die Nacht, immer die hässliche Perücke schief auf dem Kopf. Man wird wohl kaum sagen können, dass der Roman sie ins Recht setzt als eine, die nur will, was der Herrin so sehr oder so wenig zusteht wie ihr selbst. Aber die sich ergebende enge Hassbeziehung zwischen Erpresserin und Erpresster, ein fragiles Gleichgewicht der Kräfte im Kampf um, nein, nicht Anerkennung, sondern einfach materialistisches Wohlsein, ist ohne Sinn für Pietät geschildert. Bald plättet und kehrt und stärkt Luiza und Juliana liegt, Zeitung lesend, auf der Couch. Dies, nachdem Jorge, der Herr des Hauses zurückgekehrt ist, aus der fernen Provinz in die Hauptstadtprovinz. Aber was heißt schon Herr des Hauses. Er ist kaum da, er bekommt vom unsäglichen Schauspiel, in das die Köchin Joana noch einbezogen ist als von beiden Seiten mehr oder minder als Alliierte benutzte Dritte, immer nur den einen oder anderen Auftritt mit, auf den er sich keinen Reim machen kann. Im Grunde ein Stoff für eine Boulevardkomödie, die Jorge vorgespielt wird, mit wenig triftigen Ausflüchten, der Leiche im Keller, dem Heimlichtun und Doppelspiel. Die verzweifelte Luiza sucht Auswege aus der Klemme und schläft beinahe für das Geld, das Juliana ihr abpressen will, mit einem widerwärtigen Millionär. Im letzten Moment aber packt sie der Ekel und sie zieht ihm die Reitpeitsche über Hand und Gesicht und ..., nein, so weit geht Eca de Queiroz dann doch nicht. Und dann scheint, mit Hilfe des endlich zu Hilfe gerufenen Dritten, der Freund Sebastiao als Außeninstanz, alles ins Lot zu geraten. Juliana stirbt an Herzschwäche mit Schaum vorm Mund. Jorge weiß noch immer von nichts. Luiza erkrankt und wird, scheint es, wieder gesund. Harmlos genug trifft das Schicksal dann ein, per Post. Weil Luiza krank ist, liest Jorge den arg verspäteten Brief des Vetters, der an Eindeutigkeit nichts zu wünschen übrig lässt. Böse Ironie böser Schickung: die verräterischen Briefe sind vernichtet, da kommt ein neuer Zeuge unschuldig aus dem Nichts. Jorge konfrontiert, als sie gesundet scheint, Luiza. Da wird sie wieder krank, kränker denn zuvor. Und stirbt. Am Fieber. An der Schickung. An erlahmter Kraft. An der Literatur. Finstere Coda mit der Rückkehr Basilios. Luizas Tod findet er in erster Linie ärgerlich. Hätte er mal seine Geliebte mitgebracht nach Lissabon, denkt er, nun, da die Pforten des Paradieses ihm vor der Nase zugeschlagen sind.

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