Friday, September 01, 2006

Adalbert Stifter: Die drei Schmiede ihres Schicksals

Eine Rahmenerzählung als Bewegung auf die Geschichte zu. In dritter Person wird von Männern berichtet, die über die Frage streiten, wie sehr man Herr seines Geschicks und freier Lenker seines Willens ist. Am Ende dieser Vorgeschichte erst – auf die die Erzählung, sie gänzlich vergessend und die Frage nur in der Parabel entscheidend, nicht mehr zurückkommt – schleicht sich ein "Ich" unter die Diskutierenden, das nun, keine explizite Position beziehend, zu erzählen beginnt. (Eine Auflösung, die sich als Auflösung ins Implizite der Narration hinein auflöst, wobei die Problemstellung – ums Haar – unsichtbar wird.)

Zwei Männer im Freundschaftsbund, Erwin und Leander, so antik in ihrem Denken und Lebensentwurf wie womöglich das Sprichwort, das das Motto gibt ("Quilibet fortunae suae faber est"). Sie fliehen die Frauen, sie tragen Greisengewänder, "Göttergestalten" und "tigerartig" sind sie nur zu Pferde. Sie trennen sich. Erwin macht Pläne, für sich und seine Güter. Er ist ein Meister der Mathematik, zwei Jahre lang befasst er sich mit den Gütern, macht einen Entwurf, entlässt zwei Drittel seiner Leute und reüssiert. Dann will er, auf der Suche nach neuen Herausforderungen, nach Texas, "dort an der Grenze der Wilden eine Niederlassung zu gründen mit dem Keime antiker Kraft und Gesetze, der sich durch die ganze Republik verbreiten, dereinst wachsen, und etwa einen Staat von spartanischem Erze, athenischer Schönheit und römischer Tüchtigkeit erzeugen, der dereinst seiner geographischen Lage nachder erste der Welt werden würde."

Staatsgründer Erwin kommt ab vom Wege. (Apropos Erwin: Die Geschichte ist auch eine der fortschreitenden Namensgewinnung. Je mehr er sein altes Selbst verliert, desto vollständiger wird der Name: von Erwin zu Erwin Alan zu Erwin Alan von Alansford; Einschreibung in eine Genealogie, aus der er sich herausschreiben wollte.) Der Freund hat sich, vom Zufall einer Begegnung abgelenkt, verliebt. Er lädt Erwin zur Hochzeit. Der geht, wider Willen. Sein Widerwille ist nicht stoisch, das Nachgeben der ursprüngliche Fall. Den Rest erledigt eine Gespenstergeschichte.

Stifter organisiert sie über eine Rot/Weiß-Differenz. Eine "weiße Frau" geht um, wird erzählt. Prompt sitzt sie im Zimmer Erwins, vor dem Feuer. "Rosenrot" von vorne, "bleich" von hinten, im weißen Gewand. (Ihr Name ist "Rosalie", ein Gespenst ist sie nicht, als eine, die Männer abweist, wurde sie zuvor vorgestellt unter all den "Johanna, Mathilde, Emerentia, Sibylla, Margaretha, Cajetana" des Fests.) Der Mond scheint. Sie legt sich in sein Bett und bei seinem Fluchtversuch erwacht sie. Sie stellt ihn zur Rede, er nennt seinen Namen ("Erwin Alan"). Sie sagt nur: "Ach, es ist entsetzlich." Er tut einen Sprung vom Sims ("tigerartig", denkt man) und befreit die Fremde aus seinem Zimmer. Am nächsten Tag ist sie "besonders blaß". Auf die Frage, ob ihm die "weiße Frau" erschienen, wird Erwin "rot". Ein Diener hat die "weiße Frau" gesehen, da wird Rosalie "flammend rot".

Im Zweikampf ficht Erwin für Rosalies verletzte Ehre und als sie kommt, wischt er sich "das Blut von der Wange". Es folgt ein Durcheinander. Erwin liebt und begibt sich auf Schloss Vargas. Texas ist noch nicht aus dem Sinn. Er resümiert im Brief an den Verwalter der von ihm so vortrefflich organisierten Güter: "Ich bin von dem Wege nach Havre durch Zufall abgewichen, habe gezankt, habe mich betrunken, duelliert und verlobt." Das klingt nicht nach ihm. Die Stoa vergessen, nach Texas fährt er nicht. Der Staat bleibt ungegründet, eine Ehe wird geschlossen, Erwin rasiert den Bart. (Man vergleiche die Struktur mit der der "Nachkommenschaften".) Der Erzähler, wie den Rahmen des Beginns leise doch ahnend, rundet das Gefügte zum reduzierten Entwurf: "... sie lassen den Zufall gelten, aber sich nicht von ihm beherrschen." Man wird zweifeln dürfen, denn nicht nur die Rede vom "Pantoffel", unter dem Staatengründer Erwin nun steht, klingt, als hätten die drei Schmiede in plüschene Ketten sich schlagen lassen.

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