10.6.05

DVD: Geister (Lars von Trier, Dänemark 1994-1997)

Geister (Riget; Dänemark 1994-97)
Regie: Lars von Trier
Anbieter: Koch Media
Darsteller:
Ernst-Hugo Järegård, Kirsten Rolffes, Holger Juul Hansen,
Søren Pilmark, Ghita Nørby, Jens Okking, Otto Brandenburg, u.a.

Für eine kurze Phase in den Neunzigerjahren, vor Internet und DVD, war das Fernsehen – zumal in Deutschland, wo sich die Kabelfernsehkultur mit etwas Verspätung mittlerweile ebenfalls etabliert hatte – das Massen- und Kultmedium schlechthin. Es war die Hochzeit der Simpsons und von Akte X, nach deren Sendetermine ganze Tagesabläufe gestaltet wurden. Mit Twin Peaks schuf David Lynch in den USA eines der Ereignisse der Fernsehgeschichte schlechthin, während ihm in Europa der Däne Lars von Trier mit dem Hospital der Geister (oder alternativ, wie die vorliegende DVD, schlicht: Geister) ein zwar zunächst sehr differentes, aber im Grad seiner Zuschauerbindung und verwinkelten Konzeption durchaus ähnliches Pendant entgegen stellte. Twin Peaks wie Geister mussten sklavisch mitverfolgt werden, wer eine Folge verpasste (und dies nun wollte wirklich keiner, der von dieser Serie in den Bann gezogen wurde), war hoffnungslos draußen, Freundes- und Bekanntenkreise schlossen sich zu Seh-, vor allem aber Aufnahmegemeinschaften zusammen und mit jeder Folge, die ein bisschen mehr Wissen um die Frage What is going on here? preisgab, taten sich zugleich neue unklare Fragen auf, die einen unbeirrbar auf die nächste Folge vertrösteten, die seinerzeit noch im Wochenrhythmus ausgestrahlt wurden. Die Zeit der privaten und längst schon vergrieselten Aufnahmen ist nun gottlob vorbei: Koch Media hat eine ansehnliche Box der Kultserie auf den Markt gebracht, die die beiden ersten und ärgerlicherweise bislang einzigen Staffeln vereint.

Im Zentrum des Geschehens steht das königliche Reichskrankenhaus von Kopenhagen, in dem sich das Paranormale einnistet: Ein Krankenwagen verschwindet regelmäßig spurlos, im Fahrstuhl scheint ein junges Mädchen zu spuken. Unterdessen tyrannisiert ein krötiger Chefarzt die Belegschaft. Eine wunderliche alte Frau versucht den Geschehnissen auf den Grund zu gehen, während die Schwangerschaft einer Ärztin die Ankunft eines höheren Wesens in Aussicht stellt...

Image Hosted by ImageShack.usGanz im Gegensatz zu überstilisierten Mystery-Serien kommt Geister, noch in der Prä-Dogma-Phase von Triers entstanden, wie eine quasi-realistische Dokumentation im DigiCamera-Look inklusive Bildrauschen und fahrigen Kameraschwenks daher. Heute mag diese Medialität zu Standards der AV-Produktion zählen, seinerzeit sorgte sie noch für eine ungemeine Authentifizierung des Geschehens, mit entsprechender Faszinationskraft angesichts des phantastischen Stoffes. Gleichzeitig versteht es Lars von Trier, eine ganze Reihe ungemein grotesker und absurder Vorkommnisse genial ins Format einer TV-Serie zu pressen, ohne dabei den roten Faden zu verlieren. Alles steht miteinander in Verbindung, jede Episode und jede Figur scheint eine eigene Rolle zu spielen – immer neue Wendungen sorgen für eine Dynamisierung und Re-Konfiguration der Verhältnisse. Wie es die Legende will, ist dies alleine schon den Umständen der Entstehung dieser Serie geschuldet: Demnach soll sich Lars von Trier, schon immer Freund rigider und beschränkender Konzepte, mehrere Tage mit seinem Drehbuchautor unter der Bedingung betrunken haben, dass jede noch so abstruse Idee, die dieses Brainstorming zeitigt, notiert, vor allem aber berücksichtigt werden muss. Das Ergebnis ist eine ungemein spannende, unterhaltsame, und vor allem intelligent konstruierte Mystery-Serie, die sich konsequent gegen den Strich dieser Form bürstet. Einzig ärgerlich ist die Tatsache, dass sich mit Ende von Staffel 2 die Ereignisse im Hospital überschlagen und eine Lösung des Geschehens unmittelbar in der Luft zu liegen scheint: Die von vielen herbeigesehnte dritte Staffel ist bislang indes noch nicht gedreht, auch wenn die Drehbücher dazu angeblich im Safe der dänischen Nationalbank lagern. Wie und ob es weitergehen wird, ist zudem auch deshalb fraglich, weil Ernst-Hugo Järegard, der den ungemein scheußlichen Chefarzt gab und ohne jeden Zweifel entschieden zur Qualität der Serie beitrug, mittlerweile an Krebs verstorben ist. Immerhin gibt sich Udo Kier auf dem Bonusmaterial der DVD zuversichtlich und kündigt eine weitere Staffel selbstsicher an. Wollen wir hoffen, dass er dazu Grund hat.

Die von Koch Media herausgebrachte Edition kann ohne weiteres in jeglicher Hinsicht bestehen: Natürlich müssen produktionshalber Abstriche bei der Bildqualität gemacht werden, doch ergibt sich das digitale Rauschen des Bildes aus der künstlerischen Konzeption, kannn dem DVD-Anbieter also nicht zum Vorwurf gemacht werden. Ganz im Gegenteil, mit reichhaltigem, teils exklusivem Bonusmaterial hat dieser eine auch ästhetisch schön gestaltete Box auf den Markt gebracht, die ruhigen Gewissens als ultimative Fassung empfohlen werden kann, zumal Kürzungen der deutschen wie der dänischen Schnittfassung re-integriert wurden.

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Weiterführende Links: imdb

Technische Details:
  • Laufzeit: 575 Minuten (8 Episoden)
  • Ton: Deutsch/Dänisch Dolby Digital 2.0
  • Untertitel: Deutsch
  • Bildformat: 4:3
  • Zusatzmaterial: Exklusiv produziertes Feature mit Udo Kier, Audiokommentar zu selektierten Szenen,
    Behind the Scenes, Originaltrailer, 8 Werbespots, Portrait Lars von Trier,
    "The Shiver" - Musikvideo von Lars von Trier (inkl. Outtakes)


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