21.4.05

DVD: Blindman - Der Vollstrecker (Ferdinando Baldi, Italien 1971)

Blindman (Italien 1971)
Regie: Ferdinando Baldi
Anbieter: Koch Media
Darsteller: Tony Anthony, Ringo Starr, Lloyd Battista,
Magda Konopka, Raf Baldassarre, Marisa Solinas, u.a.

Image Hosted by ImageShack.usDer Italowestern ist ein Genre der Ökonomie. Antriebsfeder fast jeder seiner Erzählungen ist das Geld, das wahlweise u.a. durch Erlegung eines Delinquenten, als Beute eines Banküberfalls oder in Form eines zu hebenden Schatzes erworben werden kann. Die Figuren, selbst noch der am ehesten zur Identifikation einladende Antiheld, sind üblicherweise durch das Geld determiniert und korrumpiert – Edelmut und Menschlichkeit sind in der weiten Steppe selten anzutreffen, an ihrer Stelle stehen Zynismus und Niedertracht. Die Sprache der Buchhaltung färbt auf die Titel ab, die einen regelrechten Zahlen- und Aufzählfetischismus entwickeln: Mögen es eine Handvoll oder gleich 100.000 Dollar sein, die Kugeln für Django sind in jedem Falle gezählt, von den Fäusten, Gebeten oder gar Ausrufen gen Himmel ganz zu schweigen. Nichts, was nicht gezählt und verwaltet werden kann.

Blindman treibt den dem Subgenre innewohnenden Zynismus nun gänzlich auf die Spitze, indem er nicht mehr von abgezähltem Geld, sondern gleich von abgezählten Menschen, genauer: Frauen, handelt. 50 an der Zahl sind es, die der namenlos bleibende, blinde Revolverheld aus dem Titel durch die Wüste hin zu einer texanischen Mine zu schaffen hat, um seinen Teil des geldwerten Vertrages zu erfüllen. Natürlich kommt ihm ein Ganove dazwischen, der die „Ware“ seinerseits bereits ans mexikanische Militär verscherbelt hat. Ein Katz-und-Maus-Spiel beginnt, in dem Blindman, der – wie man kaum erwähnen muss – ein exzellenter Schütze ist, vor allem seine scheinbare Hilflosigkeit verschlagen ausnutzt.

Image Hosted by ImageShack.usAls Sergio Leone mit Für eine Handvoll Dollar 1964 den Italowestern ausrief, handelte es sich dabei um ein Remake von Akira Kurosawas Samuraiklassiker Yojimbo – Der Leibwächter. Blindman entstand 1971 als Herzenssache von Hauptdarsteller und Storylieferant Tony Anthony in einer Phase des Niedergangs des italienischen Westerns, in der mit der etablierten Form bereits einige Experimente gewagt wurden. Auch hier stand offenkundig ein Samuraifilm Pate: Der in Japan extrem erfolgreiche Stoff des blinden Masseurs Zatoichi, ein begnadeter Schwertmeister, der mit hintersinnigem Witz seine Behinderung ausnutzen versteht, brachte es in wenigen Jahren auf 26 Kinofilme und eine stattliche TV-Serie mit etwa 100 Folgen. Auch wenn Regisseur Ferdinando Baldi im Bonusmaterial der vorliegenden DVD die Verbindung leugnet, sind die Parallelen zwischen Zatoichi und Blindman doch kaum von der Hand zu weisen.

Image Hosted by ImageShack.usMit Blindman veröffentlicht Koch Media einen bislang eigentlich nicht verfügbaren Klassiker des Subgenres, der meines Wissens seit den Siebzigerjahren mangels Konservenauswertung kaum mehr verfügbar gewesen ist. Der deutsche Ton soll sogar direkt von der einzigen noch verfügbaren Quelle – eine Kinorolle im Bestand des Filmmuseums in Wien – abgenommen worden sein. Entsprechend legendär ist der Ruf des Films, dem dieser erfreulicherweise locker gerecht wird: Obwohl der Stoff eine gewisse Frivolität in Aussicht stellt, hält er sich in diesem Aspekt angenehm zurück. Dafür konstruiert er mit viel Liebe zum Detail und einigem Einfallsreichtum eine abwechslungsreiche Geschichte, in der bald diese, bald jene Partei die Nase vorne hat. Die Welt von Blindman ist mit viel Aufwand ausstaffiert: Sowohl Locations als auch die Figuren des Ensembles wurden mit viel Charakter und Persönlichkeit ausgelegt (u.a. ist Ringo Starr in der Rolle eines heißblütigen Revolverschurken zu sehen), wodurch sich - im Gegensatz zu der Stangenware, die der Italowestern in seinen wenigen Blütejahren ebenfalls hervorgebracht hat – eine deutliche Wertigkeit herausbildet. Sowohl die Episodenhaftigkeit des Geschehens, als auch die vielen skurrilen Situationen und Personen rücken Blindman vom Gefühl her in die Nähe der europäischen Gegenkulturcomics dieser Tage, ohne dabei aber eine verkrampft sich anbiedernde Skurrilität zu entwickeln. Im Gegenteil, die abgeklärte Lässigkeit, mit der die Titelfigur noch die derbsten Prügel bezieht, überträgt sich leicht auch auf den Film, der nun glücklicherweise wieder leicht verfügbar ist. Dass er, als wiederentdeckte Perle seines Subgenres, in dessen Kanon einsortiert wird, bleibt zu hoffen.

Die Veröffentlichung von Blindman ist schon erfreulich genug, garniert wird sie mit einer edlen Edition, in der angefangen vom edlen Design des Pappschubers über das ungemein hübsch gestaltete Beiheft und das reichhaltige Bonusmaterial bis hin zur Bild- und Tonqualität schlichtweg alles stimmt. Mit dieser Ausgabe hat sich Koch Media um einen hohen Verdienst reicher gemacht, Italowesternfans wie filmhistorisch Interessierte werden es dem Unternehmen danken.

Weiterführende Links: imdb ~ mrqe

Technische Details:
  • Laufzeit: 105 Minuten
  • Ton: Deutsch/Englisch Dolby Digital 2.0
  • Untertitel: Deutsch
  • Bildformat: 2.35:1 (16:9)
  • Zusatzmaterial: - exklusives Feature The Western World of Ferdinando Baldi (42 Minuten)
    - Booklet / Digipack / Pappschuber
    - Bildergalerie mit Werbematerialien
    - Originaltrailer

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